Andreas Wallraff

Die wissenschaftliche Karriere von Andreas Wallraff steht exemplarisch für den enormen Aufschwung der Quantentechnologien in den letzten zwei Jahrzehnten. Während klassische Computer ihre Leistungsfähigkeit vor allem durch Miniaturisierung und höhere Taktfrequenzen steigern konnten, eröffnen Quantencomputer einen völlig neuen Rechenparadigmenwechsel. Dabei spielen supraleitende Qubits eine zentrale Rolle: Sie sind heute eine der vielversprechendsten Plattformen für skalierbare Quantenprozessoren.

Supraleitende Qubits beruhen auf den fundamentalen Prinzipien der Makro-Quantenkohärenz. Sie sind künstliche Atome, die in supraleitenden Schaltkreisen realisiert werden und sich mit Mikrowellenresonatoren koppeln lassen. Durch ihre Flexibilität in der Herstellung und Integration bieten sie entscheidende Vorteile gegenüber anderen Qubit-Technologien wie Ionenfallen oder Spins in Halbleitern. Wallraffs Arbeit hat hier Maßstäbe gesetzt. Bereits in seinen frühen Experimenten konnte er zeigen, wie sich Quantenzustände in supraleitenden Schaltkreisen präzise kontrollieren, manipulieren und messen lassen.

Ein zentraler Aspekt seiner Forschung war die Anwendung der Konzepte aus der Quantenoptik auf feste supraleitende Strukturen. Die Kopplung einzelner Qubits an Mikrowellen-Feldmoden ermöglichte Experimente, die zuvor nur mit natürlichen Atomen realisierbar schienen. In diesem Kontext spricht man von der sogenannten Circuit Quantum Electrodynamics, kurz Circuit QED. Hier werden supraleitende Qubits als nichtlineare Oszillatoren genutzt, die mit supraleitenden Resonatoren wechselwirken. Ein Meilenstein war der Nachweis der starken Kopplung zwischen einem Qubit und einem einzelnen Mikrowellen-Photon – ein Ergebnis, das international große Beachtung fand.

Die Relevanz dieser Forschung geht weit über Grundlagenexperimente hinaus. Supraleitende Qubits bilden heute das Fundament industrieller Quantencomputer-Entwicklung, etwa bei IBM, Google und Rigetti. Andreas Wallraff war mit seinem Team an der ETH Zürich maßgeblich daran beteiligt, die Technologie aus dem Labor in Richtung anwendungsreifer Systeme zu führen. Seine Pionierrolle in der Verbindung von Quantenoptik und supraleitenden Schaltkreisen hat ihn weltweit zu einer führenden Persönlichkeit im Feld gemacht.

Nicht zuletzt hat Wallraff mit seinen Beiträgen auch den Diskurs um die physikalischen Grenzen der Kohärenzzeit, die Realisierbarkeit fehlerkorrigierender Codes und die Frage der Skalierbarkeit geprägt. Die Balance zwischen technologischem Fortschritt und fundamentaler Physik kennzeichnet seine wissenschaftliche Handschrift bis heute.

Zielsetzung und Aufbau der Abhandlung

Diese Abhandlung verfolgt das Ziel, die wissenschaftliche Laufbahn und die prägenden Arbeiten von Andreas Wallraff systematisch darzustellen. Neben dem chronologischen Überblick über die Stationen seiner Karriere werden insbesondere seine Beiträge zur supraleitenden Quanteninformationstechnologie detailliert analysiert.

Zunächst werden die Ausbildungs- und Prägungsjahre beleuchtet, um die Wurzeln seines Forschungsinteresses nachzuvollziehen. Es folgt die Darstellung der wegweisenden Experimente in der Circuit QED, die er gemeinsam mit seinen Kollegen in Yale durchführte. Diese Arbeiten gelten als Initialzündung für die Etablierung supraleitender Qubits als ernstzunehmende Technologieplattform.

Im weiteren Verlauf wird die Gründung und der Ausbau seiner Forschungsgruppe für Quantenelektronik an der ETH Zürich beschrieben. Hier hat Wallraff nicht nur ein exzellentes wissenschaftliches Umfeld geschaffen, sondern auch zahlreiche Kooperationen mit internationalen Partnern initiiert.

Die Abhandlung gliedert sich in folgende Schwerpunkte:

  • Überblick über die akademische Laufbahn und frühe Forschungserfahrungen
  • Analyse seiner Schlüsselbeiträge zur supraleitenden Quantenphysik und Quanteninformation
  • Darstellung der interdisziplinären Vernetzung mit Quantenoptik, Materialwissenschaften und Mikrowellentechnologie
  • Einordnung seiner Arbeiten im internationalen Vergleich mit anderen führenden Laboren
  • Diskussion der Perspektiven seiner Forschung für zukünftige Generationen von Quantencomputern und Quantensensoren

Die systematische Auseinandersetzung mit diesen Themen soll nicht nur den aktuellen Stand der Forschung reflektieren, sondern auch verdeutlichen, welche Fragestellungen und technischen Herausforderungen heute noch ungelöst sind. Darüber hinaus soll das Werk ein Beitrag zur Würdigung einer Persönlichkeit leisten, die mit ihrer Arbeit maßgeblich die Grundlagen für die Quantenrevolution gelegt hat.

Akademischer Werdegang und Professionelle Entwicklung

Studienjahre und wissenschaftliche Prägung

Physikstudium an der Universität Erlangen-Nürnberg

Andreas Wallraff begann seine wissenschaftliche Laufbahn mit dem Studium der Physik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Schon früh entwickelte er eine besondere Faszination für die Grenzbereiche zwischen klassischer Elektrodynamik und Quantenmechanik. Diese Doppelperspektive sollte später zu einem Markenzeichen seiner Forschung werden.

Während seines Studiums vertiefte er seine Kenntnisse insbesondere in der Festkörperphysik und in quantenoptischen Methoden. Die Verbindung von Experiment und Theorie prägte sein akademisches Selbstverständnis: Einerseits reizte ihn die experimentelle Präzision, andererseits die intellektuelle Herausforderung, quantenmechanische Phänomene durch exakte Modelle zu beschreiben. In dieser Zeit entstand auch das Interesse an supraleitenden Materialien und deren außergewöhnlichen physikalischen Eigenschaften, insbesondere der makroskopischen Kohärenz.

Bereits während des Hauptstudiums arbeitete Wallraff in mehreren Forschungsprojekten mit, die sich mit supraleitenden Dünnschichtstrukturen und Mikrowellentechnologien beschäftigten. Diese praktischen Erfahrungen bildeten die Grundlage für sein späteres Engagement in der Quanteninformationstechnologie.

Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Nach dem Abschluss des Studiums wechselte Wallraff an die Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er am renommierten Walther-Meißner-Institut promovierte. Die Promotion widmete sich experimentellen Studien an supraleitenden Strukturen im Mikrowellenbereich.

Ein zentrales Thema war die Untersuchung der nichtlinearen Wechselwirkung zwischen elektromagnetischen Feldern und supraleitenden Kontakten, ein Forschungsfeld, das für spätere Entwicklungen in der Circuit QED von enormer Bedeutung werden sollte. In dieser Phase lernte Wallraff die anspruchsvolle Präparation und Charakterisierung supraleitender Schaltkreise, die hochpräzise Tieftemperaturmesstechnik und die statistische Analyse quantenmechanischer Effekte kennen.

Seine Dissertation wurde mit hervorragenden Bewertungen abgeschlossen und legte den Grundstein für seine internationale Reputation. Die in München erworbenen experimentellen Fertigkeiten sollten sich als entscheidender Vorteil erweisen, als er später Pionierexperimente in Yale vorbereitete.

Einfluss von Mentoren und Forschungsnetzwerken

Neben der technischen Expertise profitierte Wallraff während dieser Jahre besonders vom wissenschaftlichen Austausch mit prägenden Mentoren. Zu nennen sind hier insbesondere Professor Rudolf Gross, ein führender Experte für supraleitende Quantensysteme, sowie die engen Kontakte zu Arbeitsgruppen in Karlsruhe und Jülich. Diese Netzwerke ermöglichten ihm den Zugang zu einer internationalen Scientific Community, die schon damals den Grundstein für ein globales Forschungsfeld legte.

Seine Ausbildung zeichnete sich dadurch aus, dass sie sowohl tief in der Festkörperphysik verwurzelt war als auch früh die Schnittstellen zur Quantenoptik und Quanteninformation thematisierte. Diese Kombination aus methodischer Tiefe und interdisziplinärem Denken sollte sich später als entscheidender Erfolgsfaktor erweisen.

Postdoktorale Forschung und erste Durchbrüche

Forschungstätigkeit an der Universität Yale

Nach Abschluss seiner Promotion wechselte Andreas Wallraff an die Yale University in New Haven, USA, um als Postdoktorand in der Arbeitsgruppe von Robert J. Schoelkopf zu forschen. Diese Phase gilt als Wendepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere. In Yale befand er sich in einem der weltweit führenden Labore für Quantenoptik und supraleitende Schaltkreise.

Die Arbeitsgruppe hatte sich zum Ziel gesetzt, Konzepte der Cavity Quantum Electrodynamics auf supraleitende Systeme zu übertragen. Wallraff brachte hierzu seine umfassende Expertise in der Herstellung und Charakterisierung supraleitender Schaltkreise ein. Gemeinsam mit Michel Devoret und dem Theoretiker Steven Girvin entstand eine der produktivsten Kollaborationen der modernen Quantenphysik.

Zusammenarbeit mit Robert J. Schoelkopf und Michel Devoret

Im Zentrum dieser Zusammenarbeit stand die Vision, künstliche Atome in Form von supraleitenden Qubits mit hochqualitativen Mikrowellenresonatoren zu koppeln. Die grundlegende Fragestellung lautete: Lässt sich die starke Kopplung einzelner Photonen an ein festkörperbasiertes Qubit realisieren, analog zu Experimenten mit natürlichen Atomen?

Die Arbeitsgruppe entwickelte dafür eine Architektur, bei der ein supraleitender Schwingkreis (Resonator) in enger Wechselwirkung mit einem Josephson Junction Qubit tritt. Die Dynamik dieses Systems kann durch das Jaynes-Cummings-Hamiltonian beschrieben werden:

\hat{H} = \hbar \omega_r \hat{a}^\dagger \hat{a} + \frac{1}{2}\hbar \omega_q \hat{\sigma}<em>z + \hbar g (\hat{a}^\dagger \hat{\sigma}</em>- + \hat{a}\hat{\sigma}_+)

Hierbei bezeichnet \omega_r die Resonatorfrequenz, \omega_q die Qubit-Frequenz und g die Kopplungsstärke zwischen Qubit und Resonator. Diese Arbeiten führten 2004 zu einem bahnbrechenden Experiment, in dem das Regime starker Kopplung erstmals in einem supraleitenden Schaltkreis nachgewiesen wurde. Der Artikel dazu erschien in Nature und zählt heute zu den meistzitierten Arbeiten des Feldes.

Entwicklung erster supraleitender Qubit-Experimente

Neben dem Nachweis der starken Kopplung entwickelte Wallraff Verfahren zur präzisen Steuerung der Qubit-Zustände und zur hochauflösenden Dispersionsmessung. Mit diesen Techniken konnte er die Quanteneigenschaften des Systems nicht nur beobachten, sondern auch gezielt manipulieren – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Quanteninformationstechnologie.

Die Experimente aus der Yale-Zeit gelten als Initialzündung für die weltweite Forschung an Circuit QED und supraleitenden Qubits. Sie ebneten den Weg für spätere Innovationen bei IBM, Google und in zahlreichen akademischen Laboren.

Berufung an die ETH Zürich

Aufbau der Forschungsgruppe für Quantenelektronik

Im Jahr 2006 wurde Andreas Wallraff als ordentlicher Professor an die ETH Zürich berufen. Dort übernahm er den Lehrstuhl für Festkörperphysik mit Schwerpunkt Quantenelektronik. In kurzer Zeit baute er eines der führenden Laboratorien Europas für supraleitende Quantensysteme auf – das Quantum Device Lab.

Sein Team kombinierte fortgeschrittene Lithografie-Verfahren, Tieftemperaturphysik und Mikrowellentechnik, um supraleitende Schaltkreise in nie dagewesener Präzision zu realisieren. In Zürich wurde die Forschung weiter diversifiziert: Neben Einzel-Qubit-Experimenten traten bald Multiqubit-Architekturen, Hybridansätze mit Spins und photonischen Schnittstellen sowie Quantensimulatoren hinzu.

Strategische Schwerpunkte: supraleitende Qubits, Quantenoptik, Hybridarchitekturen

Wallraffs Forschung an der ETH Zürich fokussierte sich auf drei strategische Achsen:

  1. Verbesserung der Kohärenzeigenschaften supraleitender Qubits
  2. Entwicklung skalierbarer Multiqubit-Schaltkreise mit Fehlerkorrektur
  3. Hybridisierung von supraleitenden Qubits mit anderen Quantensystemen wie Spins in Diamant oder Halbleiter-Quantenpunkten

Diese Schwerpunkte spiegeln bis heute den Kern der internationalen Quantenforschung wider: die Verbindung von Grundlagenphysik, Ingenieurskunst und der Vision praktischer Quantenprozessoren. Unter seiner Leitung wuchs das Quantum Device Lab zu einem Zentrum, das entscheidende Impulse für die Entwicklung der europäischen Quantenökonomie setzt.

Forschungsschwerpunkte und Meilensteine

Supraleitende Qubits: Prinzipien und Implementierung

Funktionsweise von Transmon-Qubits

Ein zentrales Element der Arbeiten von Andreas Wallraff ist die Entwicklung und Optimierung supraleitender Qubits. Unter den verschiedenen Varianten hat sich insbesondere der Transmon-Qubit als technologischer Standard etabliert. Transmon steht für „transmission line shunted plasma oscillation qubit“ – eine Modifikation des klassischen Cooper-Pair-Box-Designs, bei dem die Empfindlichkeit gegenüber Ladungsrauschen stark reduziert wurde.

Der Transmon besteht im Kern aus einem Josephson Junction, die in einen kapazitiven Schwingkreis eingebettet ist. Sein Energielevelabstand wird durch das Verhältnis der Josephson-Energie E_J zur Ladeenergie E_C bestimmt. Das Hamiltonian des Systems lautet:

\hat{H} = 4 E_C (\hat{n} - n_g)^2 - E_J \cos(\hat{\varphi})

Hier bezeichnet \overset{\hat{}}{n} den Zahloperator für die Cooper-Paare und \overset{\hat{}}{\phi} den Phasenoperator. Für den Transmon wird typischerweise das Verhältnis \frac{E_J}{E_C} \gg 1 gewählt, wodurch der Qubit robuster gegenüber Ladungsfluktuationen wird.

Wallraff hat in seinen Zürcher Experimenten gezeigt, dass Transmons sehr lange Kohärenzzeiten erreichen können, oft über 100 Mikrosekunden. Dies stellt einen gewaltigen Fortschritt gegenüber früheren Designs dar, bei denen Dekohärenz innerhalb weniger Nanosekunden dominierte.

Herausforderungen der Kohärenzerhaltung

Trotz der Fortschritte bleiben supraleitende Qubits empfindlich gegenüber verschiedenen Störquellen. Besonders relevant sind:

  • Fluktuationen des magnetischen Flux durch äußere Störfelder
  • Dielektrische Verluste in Substraten und Interfaces
  • Quasiteilchen-Generierung bei Mikrowellenanregung

Die Kohärenzzeit T_2, also die Zeitspanne, über die die Phaseninformation erhalten bleibt, wird durch all diese Effekte limitiert. Die Kohärenzdynamik lässt sich durch die Relation beschreiben:

\frac{1}{T_2} = \frac{1}{2 T_1} + \frac{1}{T_\phi}

Hierbei steht T_1 für die Relaxationszeit und T_{\phi} für die reine Dephasierungszeit. In Wallraffs Labor wurden zahlreiche Experimente durchgeführt, um diese Einflüsse zu quantifizieren und zu reduzieren – etwa durch verbessertes Design der Resonatoren, optimierte Materialien und Vakuum-Ultrahochreinheit.

Wallraffs Experimente zur Kopplung von Qubits und Resonatoren

Eines der Hauptziele der supraleitenden Qubit-Forschung ist die kontrollierte Kopplung zwischen Qubit und Resonator, um Quanteninformationen präzise auszutauschen. Wallraff hat in Zürich verschiedenste Kopplungsarchitekturen entwickelt. Besonders bekannt ist die dispersive Kopplung, bei der der Qubit-Zustand die Resonanzfrequenz des Resonators verschiebt:

\chi = \frac{g^2}{\Delta} mit g als Kopplungsstärke und \Delta = \omega_q - \omega_r als Detuning. Diese Technik ermöglicht die nichtinvasive Auslese des Qubit-Zustands mit sehr hoher Treffsicherheit.

Die Experimente belegen, dass supraleitende Qubits kontrolliert mit einzelnen Mikrowellenphotonen wechselwirken – eine essentielle Voraussetzung für Quantenkommunikation und Multiqubit-Gatter.

Cavity QED im Mikrowellenbereich

Adaption der Quantenoptik-Konzepte auf supraleitende Systeme

Die klassische Cavity Quantum Electrodynamics (QED) untersucht die Wechselwirkung einzelner Atome mit Photonmoden eines optischen Resonators. Wallraff und sein Team adaptierten diese Ideen in den Mikrowellenbereich und übertrugen sie auf supraleitende Schaltkreise – eine Revolution der Festkörperphysik.

Durch die präzise lithografische Fertigung konnten sie Systeme schaffen, in denen die Kopplungsstärke g die Energieverluste des Qubits (y) und des Resonators (k) deutlich überstieg:

g \gg \kappa, \gamma

Dieses starke Kopplungsregime ist die Grundlage für kohärente Wechselwirkungen und ermöglicht den kontrollierten Austausch einzelner Photonen.

Realisierung starker Kopplungsregime

Die Experimente aus Wallraffs Gruppe gelten als Prototyp für Circuit QED. 2004 konnte erstmals nachgewiesen werden, dass ein supraleitender Qubit mit einer Photonenmode einen quantenmechanischen Austauschprozess vollzieht, der sich als Rabi-Oszillation beobachten lässt. Das System kann durch das Jaynes-Cummings-Modell beschrieben werden, das fundamentale Vorhersagen für die Wechselwirkung liefert:

\Omega_R = 2 g \sqrt{n + 1}

Hier steht \Omega_R für die Rabi-Frequenz und n für die Photonenzahl. Die Beobachtung dieser quantenmechanischen Nichtklassikalität markierte einen Meilenstein für supraleitende Quantenoptik.

Beobachtung quantenmechanischer Nichtklassikalität in supraleitenden Schaltkreisen

Wallraff zeigte, dass supraleitende Schaltkreise nicht nur quantenmechanisch beschrieben werden können, sondern auch Zustände jenseits klassischer Statistiken erzeugen. Dazu gehören:

  • Fock-Zustände mit definierter Photonenzahl
  • Verschränkte Zustände zwischen Qubit und Resonator
  • Squeezed States durch parametrierte Antriebe

Diese Experimente verknüpfen konzeptionell die Festkörperphysik mit der Quantenoptik und schaffen Grundlagen für Quantenkommunikationsprotokolle.

Skalierbarkeit und Quantenprozessoren

Entwicklung von Multiqubit-Schaltkreisen

Ein zentrales Ziel der Quantentechnologien ist der Aufbau skalierbarer Architekturen mit vielen Qubits. Wallraff hat mit seinem Team Multiqubit-Schaltkreise realisiert, bei denen mehrere Transmons über Bus-Resonatoren gekoppelt sind. Solche Architekturen erlauben die Implementierung komplexer Gatteroperationen und verschränkter Zustände.

Die Herausforderung liegt darin, Kohärenz, Steuerbarkeit und Lesbarkeit über viele Qubits hinweg zu erhalten. Dazu wurden unter anderem frequenzadressierbare Qubits und neuartige Kopplungselemente entwickelt.

Ansätze zur Fehlerkorrektur und Dekohärenz-Minimierung

Neben der reinen Skalierung ist die Implementierung von Fehlerkorrektur essentiell. Wallraff erforscht hierzu Verfahren wie:

  • Surface Codes mit redundanter Kodierung
  • Paritätsmessungen zur Detektion von Fehlern
  • Dynamische Decoupling-Verfahren zur Unterdrückung von Dephasierung

Ein Beispiel für eine Fehlerkorrekturstrategie ist der Einsatz logischer Qubits, die aus mehreren physischen Qubits bestehen und die Fehlerrate reduzieren:

p_L \approx A \left(\frac{p}{p_{th}}\right)^d

Hier bezeichnet p_L die logische Fehlerrate, p die physikalische Fehlerrate, p_{\text{th}} den Schwellenwert und d die Distanz des Codes.

Relevanz für skalierbare Quantencomputer

Die Arbeiten an Multiqubit-Systemen sind nicht nur akademisch relevant, sondern bilden die Grundlage für industrielle Quantenprozessoren. Viele Konzepte, die heute bei IBM oder Google produktiv eingesetzt werden, basieren auf den Erkenntnissen aus Wallraffs Labor.

Seine Forschung vereint physikalische Grundlagen, Materialwissenschaft und Ingenieurkunst – ein Paradebeispiel für die multidisziplinäre Natur moderner Quantentechnologie.

Interdisziplinäre Beiträge und Kooperationen

Schnittstellen zur Quantenkommunikation

Hybridisierung supraleitender Qubits mit photonischen Schnittstellen

Eine der spannendsten Perspektiven der Quantentechnologie ist die Kopplung lokaler supraleitender Qubit-Register mit photonischen Übertragungskanälen. Andreas Wallraff und sein Team an der ETH Zürich zählen weltweit zu den führenden Gruppen, die an solchen hybriden Architekturen forschen. Ziel ist es, die Vorteile supraleitender Qubits – hohe Steuerbarkeit und lange Kohärenz – mit optischen Kommunikationswegen zu verbinden, die für die Verteilung von Quanteninformation über größere Distanzen prädestiniert sind.

Ein vielversprechender Ansatz ist die sogenannte Mikrowellen-zu-Optik-Konversion. Dabei wird ein supraleitender Qubit zunächst mit einem Mikrowellenresonator gekoppelt. Anschließend wird dessen quantisierter Zustand in einen optischen Photonenzustand konvertiert, zum Beispiel mittels nichtlinearer optischer Kristalle oder mechanischer Schwinger, die als Vermittler fungieren. Die Herausforderung liegt darin, hohe Effizienz und geringe Verluste zu erzielen, da jede Dekohärenz den Quanteninformationsgehalt reduziert. Theoretisch lässt sich der Effizienzparameter

\eta als Verhältnis der übertragbaren Quanteninformation beschreiben:

\eta = \frac{N_{\text{opt}}}{N_{\text{in}}}

wobei

N_{\text{opt}}

die Zahl der erzeugten optischen Photonen und

N_{\text{in}}

die Zahl der mikrowellenseitigen Quantenanregungen ist. Wallraffs Arbeiten an der Optimierung dieses Parameters gelten als richtungsweisend.

Forschung an Quantenschnittstellen für verteilte Quanteninformation

Neben der Konversion beschäftigt sich Wallraffs Gruppe mit der Realisierung verteilter Verschränkung über mehrere supraleitende Module. Das Ziel ist ein Netzwerk aus Knoten, in dem jeder Knoten supraleitende Qubits beherbergt, während die Verbindung über photonische Kanäle hergestellt wird.

In Experimenten wurde demonstriert, dass zwei supraleitende Qubits, die räumlich getrennt sind, über Mikrowellenleitungen verschränkt werden können. Eine wichtige Metrik ist dabei die sogenannte Konnektivitätsmatrix K, die angibt, mit welchen Kopplungsstärken k_{ij} die Qubits verbunden sind: K =\begin{pmatrix}0 & k_{12} & \dots \\k_{21} & 0 & \dots \\\vdots & \vdots & \ddots \\\end{pmatrix}

Die Herausforderung liegt in der Skalierung dieser Matrix auf viele Knoten, ohne dass Kohärenz und Fehlerraten unkontrollierbar ansteigen. Wallraff verfolgt hier insbesondere den Ansatz modularer Quantenarchitekturen, bei denen einzelne Qubit-Resonator-Einheiten als Module fungieren und über quantenmechanisch kohärente Schnittstellen verbunden werden.

Kooperationen mit internationalen Spitzenzentren

Projekte mit IBM, Yale, Delft, IQC Waterloo

Andreas Wallraff ist nicht nur ein führender Experimentalphysiker, sondern auch ein hervorragender Netzwerker. Seine wissenschaftliche Laufbahn ist geprägt von engen Kooperationen mit internationalen Spitzenzentren. Bereits in seiner Yale-Zeit entwickelte er Kontakte zu IBM Research, die bis heute Bestand haben. Diese Kollaborationen erstrecken sich auf die Entwicklung skalierbarer Multiqubit-Chips, Fehlerkorrekturprotokolle und neuartige Kopplungsmechanismen.

Besonders intensiv ist der Austausch mit der TU Delft in den Niederlanden und dem Institute for Quantum Computing (IQC) in Waterloo, Kanada. Diese Institutionen teilen die Vision, supraleitende Qubits zur Grundlage industrieller Quantenprozessoren zu machen. Gemeinsame Projekte umfassen unter anderem:

  • Implementierung skalierbarer Resonator-Architekturen
  • Hybridisierung mit Spins in Diamant
  • Standardisierung von Messprotokollen für Qubit-Charakterisierung

Ein Beispiel für den Erfolg dieser Zusammenarbeit ist die Entwicklung einer Multiqubit-Plattform, bei der die gemessene Gate-Fidelity F Werte von über F > 0.99 erreicht – ein entscheidender Fortschritt in Richtung Fehlertoleranz.

Europäische Forschungsnetzwerke und Förderprojekte (z. B. EU Flagship)

Neben den transatlantischen Kooperationen engagiert sich Wallraff stark in europäischen Forschungsnetzwerken. Er ist maßgeblich an Projekten beteiligt, die im Rahmen des Quantum Flagship der EU gefördert werden. Diese Programme verfolgen das Ziel, Europa eine führende Rolle im internationalen Quantenwettlauf zu sichern.

Wallraffs Labor nimmt hierbei unter anderem folgende Aufgaben wahr:

  • Aufbau standardisierter Herstellungsverfahren für supraleitende Qubits
  • Entwicklung Referenzarchitekturen für Quantenprozessoren
  • Ausbildung und Vernetzung junger Forschender in europäischen Doktorandenschulen

Durch diese Aktivitäten hat sich Zürich als einer der zentralen europäischen Knotenpunkte für supraleitende Quantenforschung etabliert.

Technologietransfer und Industriekooperationen

Spin-offs und Start-up-Initiativen

Eine besondere Stärke von Wallraff ist die Verbindung von Grundlagenforschung und Technologieentwicklung. Bereits in den frühen Jahren seines Zürcher Labors legte er Wert darauf, dass Forschungsergebnisse nicht nur in akademischen Publikationen münden, sondern auch in wirtschaftlich nutzbare Technologien überführt werden.

So entstanden mehrere Ausgründungen und Spin-offs, die auf supraleitenden Technologien basieren. Diese Start-ups arbeiten etwa an der Entwicklung hochpräziser Quantenmesstechnik, supraleitender Detektoren oder an der Integration von Quantenhardware in Rechenzentren. Der Technologietransfer wird unterstützt durch enge Kooperationen mit der ETH Zürich und der Industrie.

Anwendungen in Quantensensorik und Quantenkryptografie

Neben dem Fokus auf Quantencomputer ist ein zweites wichtiges Anwendungsfeld die Quantensensorik. Supraleitende Qubits sind extrem empfindlich gegenüber äußeren Feldern, was sie zu idealen Detektoren macht. Wallraffs Gruppe hat Methoden entwickelt, mit denen winzige Magnetfeldänderungen oder Strahlungseinflüsse detektiert werden können.

Auch in der Quantenkryptografie spielen supraleitende Systeme eine Rolle. Sie können als sichere Speicher für Quantenschlüssel dienen oder in Zukunft für abhörsichere Übertragung eingesetzt werden. Die theoretischen Grundlagen hierfür basieren auf der Erstellung und Verteilung verschränkter Zustände, bei denen die Korrelationen durch die Bell-Ungleichung beschrieben werden:

S = |E(a,b) - E(a,b') + E(a',b) + E(a',b')| \leq 2

Ein Überschreiten dieser Schranke zeigt die Nichtklassikalität der erzeugten Zustände – ein Kernkriterium für Quantenkryptografie.

Andreas Wallraff als akademischer Mentor

Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Betreuung zahlreicher Doktoranden und Postdocs

Neben seinen herausragenden wissenschaftlichen Beiträgen ist Andreas Wallraff auch ein außergewöhnlich engagierter akademischer Mentor. Er hat über die Jahre hinweg eine große Zahl von Doktorandinnen, Doktoranden und Postdocs betreut und sie in ihrer Entwicklung zu eigenständigen Forscherpersönlichkeiten begleitet.

Seine Betreuungsphilosophie verbindet hohe fachliche Ansprüche mit einem unterstützenden, kooperativen Arbeitsstil. Die Mitglieder seines Quantum Device Lab profitieren nicht nur von modernster technischer Ausstattung, sondern auch von der Freiheit, eigene Ideen zu entwickeln und zu verfolgen. Viele seiner ehemaligen Mitarbeitenden haben mittlerweile Professuren oder führende Positionen in der Industrie übernommen – etwa bei IBM Quantum, Google Quantum AI oder europäischen Forschungsinstituten.

Dabei legt Wallraff besonderen Wert auf die Ausbildung im Umgang mit komplexen Experimenten, das sichere Beherrschen der quantenmechanischen Theorie und die Fähigkeit, innovative technische Lösungen zu erarbeiten. Ein Beispiel für eine typische Kompetenz, die Doktoranden in seinem Labor erwerben, ist das Verständnis der detaillierten Dynamik von Qubit-Resonator-Systemen, die durch das Jaynes-Cummings-Hamiltonian beschrieben wird:

\hat{H} = \hbar \omega_r \hat{a}^\dagger \hat{a} + \frac{1}{2}\hbar \omega_q \hat{\sigma}<em>z + \hbar g \left(\hat{a}^\dagger \hat{\sigma}</em>- + \hat{a}\hat{\sigma}_+\right)

Die Fähigkeit, solche Modelle sowohl analytisch als auch experimentell zu beherrschen, ist ein Markenzeichen der Ausbildung in seinem Team.

Einfluss auf die nächste Generation von Quantenwissenschaftlern

Wallraffs Einfluss reicht weit über die ETH Zürich hinaus. Zahlreiche Absolventen seines Labors prägen heute international die Forschung an supraleitenden Qubits, Hybridarchitekturen und Quantenkommunikation. In Vorträgen und Workshops vermittelt er regelmäßig einem internationalen Publikum die neuesten Erkenntnisse und Methoden.

Sein Engagement spiegelt sich auch in der aktiven Mitwirkung an Sommerakademien, Konferenzen und internationalen Doktorandenschulen wider. Dort trägt er dazu bei, Standards in der Ausbildung zu setzen und wissenschaftliche Netzwerke zu fördern. Diese Vernetzung ist ein entscheidender Faktor dafür, dass Europa heute weltweit führend in der Entwicklung von Quantenhardware ist.

Lehrtätigkeit und Curriculumentwicklung

Etablierung interdisziplinärer Master- und Doktorandenprogramme

Ein weiterer Aspekt seiner akademischen Arbeit ist die Konzeption und Weiterentwicklung innovativer Lehrformate. Wallraff hat an der ETH Zürich maßgeblich dazu beigetragen, dass interdisziplinäre Studiengänge im Bereich Quantentechnologie etabliert wurden. Diese Programme verbinden Inhalte aus:

  • Festkörperphysik
  • Quantenoptik
  • Elektronik
  • Informatik

Sie richten sich an Studierende, die eine fundierte Ausbildung an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Technologieentwicklung suchen. Im Masterprogramm erhalten die Studierenden unter anderem die Gelegenheit, sich früh in aktuelle Forschungsprojekte einzubringen.

Die Lehrveranstaltungen decken sowohl theoretische Grundlagen – etwa die Beschreibung von Vielteilchen-Systemen mittels Hamiltonian-Formulierungen wie

\hat{H}_{\text{tot}} = \sum_i \hbar \omega_i \hat{a}_i^\dagger \hat{a}_i + \sum_j \frac{1}{2}\hbar \omega_j \hat{\sigma}_z^{(j)} + \sum_{i,j} \hbar g_{ij} \left( \hat{a}_i^\dagger \hat{\sigma}_-^{(j)} + \hat{a}_i \hat{\sigma}_+^{(j)} \right)

als auch experimentelle Methoden ab, etwa die Charakterisierung supraleitender Schaltkreise.

Didaktische Innovationen im Bereich der Quanteninformationsverarbeitung

In seinen Vorlesungen kombiniert Wallraff klassische Frontalunterweisung mit modernen didaktischen Ansätzen: interaktiven Simulationen, praktischen Laborprojekten und projektbasiertem Lernen. Dadurch erwerben Studierende nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktische Kompetenzen in der Planung und Durchführung von Experimenten.

Eine seiner innovativsten Initiativen ist der Einsatz virtueller Labore und Open-Source-Software für die Simulation von Quantenprozessoren. So können Studierende die Effekte von Rauschen, Dekohärenz und Kopplung schon vor dem Experiment detailliert modellieren und lernen, wie sich diese Einflüsse mathematisch beschreiben lassen – zum Beispiel mit Mastergleichungen:

\frac{d\rho}{dt} = -\frac{i}{\hbar}\left[\hat{H}, \rho\right] + \mathcal{L}(\rho)

Die Kombination aus modernster Forschung, methodischer Vielfalt und internationaler Vernetzung macht Andreas Wallraff zu einem akademischen Mentor, der die Ausbildung der nächsten Generation von Quantenwissenschaftlern prägt wie kaum ein Zweiter.

Würdigung und Auszeichnungen

Nationale und internationale Preise

Übersicht über zentrale Auszeichnungen (ERC Grants, Fellowships)

Andreas Wallraff hat in seiner bisherigen Laufbahn eine Vielzahl hochrangiger Auszeichnungen und Förderpreise erhalten. Diese Würdigungen sind ein Indikator für die internationale Strahlkraft seiner Forschung und die strategische Bedeutung seiner Arbeiten für das Feld der supraleitenden Quantentechnologie.

Zu den wichtigsten Preisen zählen:

  • ERC Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats, mit dem besonders innovative Forschungsvorhaben gefördert werden. Dieses Grant wird nur den weltweit führenden Wissenschaftlern ihres Fachs zugesprochen und ist mit einer signifikanten finanziellen Ausstattung verbunden.
  • Fellowship der American Physical Society (APS), das Forscher ehrt, die wesentliche Beiträge zum Fortschritt der Physik geleistet haben.
  • IBM Faculty Award, der die enge Verbindung seiner Forschung mit industriellen Anwendungen unterstreicht.
  • Verschiedene Auszeichnungen der ETH Zürich, darunter der Golden Owl Award für hervorragende Lehre.

Die Verleihung solcher Preise ist nicht nur persönliche Anerkennung, sondern stärkt auch die Position der supraleitenden Quantenplattform als tragende Säule der künftigen Informationsverarbeitung.

Wallraff selbst hebt in Vorträgen immer wieder hervor, dass die Wirkung dieser Auszeichnungen weit über das eigene Labor hinausreicht. Sie tragen dazu bei, dass Fördermittel für die gesamte Community erschlossen werden, internationale Kooperationen erleichtert werden und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktive Rahmenbedingungen für ihre Forschung vorfinden.

In wissenschaftlichen Fachvorträgen illustriert er diesen Zusammenhang oft mit dem Bild eines Multiplikationseffekts: Jedes erfolgreiche Projekt zieht neue Anträge, Netzwerke und Talente nach sich, was sich in der Summe durch ein exponentielles Wachstum von Expertise und Infrastruktur ausdrückt. Mathematisch lässt sich dieses Prinzip anschaulich als Wachstumsprozess beschreiben:

N(t) = N_0 , e^{r t} wobei N(t) die kumulierte Forschungsleistung, N_0 der Ausgangswert und r die Wachstumsrate darstellen.

Bedeutung der Anerkennung für das Forschungsfeld

Die institutionelle Sichtbarkeit, die mit solchen Preisen verbunden ist, trägt wesentlich dazu bei, Quantenforschung als gesellschaftlich relevante Technologie zu etablieren. Förderinstitutionen, Politik und Öffentlichkeit erhalten durch die regelmäßige Würdigung der Arbeiten Wallraffs ein klares Signal, dass Quantenprozessoren nicht länger visionäre Zukunftsprojekte sind, sondern konkrete technologische Realitäten.

Darüber hinaus fördern Preise wie der ERC Grant gezielt den Transfer von Grundlagenforschung in anwendungsorientierte Konzepte – ein Kernanliegen der europäischen Innovationsstrategie. Wallraffs Projekte sind hierbei Vorzeigebeispiele, wie exzellente Forschung auf höchstem Niveau in strategisch wichtigen Technologiefeldern Früchte trägt.

Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Akademien

Rollen in Fachgesellschaften (APS, IEEE)

Andreas Wallraff ist aktives Mitglied in mehreren internationalen Fachgesellschaften und wissenschaftlichen Akademien, darunter:

  • American Physical Society (APS)
  • Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE)
  • Swiss Physical Society

In diesen Gremien übernimmt er Funktionen, die weit über die Mitgliedschaft hinausgehen. Er wirkt regelmäßig als Gutachter für renommierte Journale wie „Physical Review Letters“ oder „Nature Physics“ und gestaltet die strategische Ausrichtung von Fachgruppen mit. Besonders aktiv ist er im Bereich der Quantum Information Science innerhalb der APS, wo er an Positionspapieren und Roadmaps zur künftigen Entwicklung der Quantenforschung mitarbeitet.

Beitrag zur strategischen Entwicklung der Quantenforschung

Wallraffs Engagement in internationalen Fachgesellschaften hat direkten Einfluss auf die wissenschaftliche Agenda. Unter anderem trägt er dazu bei, Standards für supraleitende Qubit-Technologien zu definieren, Referenzarchitekturen zu erarbeiten und gemeinsame Ziele in der europäischen Forschungslandschaft abzustimmen.

Ein wichtiges Anliegen seiner Arbeit ist die Harmonisierung von Materialcharakterisierung, Messprotokollen und Benchmark-Verfahren. In zahlreichen Workshops diskutiert er mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt, wie sich die Kohärenzeigenschaften supraleitender Schaltkreise verbessern lassen und welche mathematischen Kennzahlen sich als Standard durchsetzen sollen. Ein Beispiel dafür ist die Gate-Fidelity F, die er in verschiedenen Projekten mitentwickelt hat und die als zentrale Qualitätskennzahl gilt. Eine typische Definition lautet:

F = \left| \langle \psi_{\text{ideal}} | \psi_{\text{exp}} \rangle \right|^2

Sie gibt den quadratischen Überlapp der idealen mit der experimentell realisierten Zustandsvektoren an und stellt ein wesentliches Maß für die Genauigkeit von Quantenoperationen dar.

Durch sein aktives Wirken in diesen Gremien trägt Andreas Wallraff dazu bei, die Grundlagen, Standards und Visionen der Quantenforschung entscheidend mitzuprägen und zugleich ein förderliches Umfeld für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu schaffen.

Ausblick und zukünftige Forschungsrichtungen

Perspektiven supraleitender Qubit-Technologien

Fortschritte bei Kohärenzzeiten und Fehlerkorrektur

Die Entwicklung supraleitender Qubits ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten rasant vorangeschritten, doch zahlreiche Herausforderungen bleiben bestehen. Ein zentrales Ziel der nächsten Jahre ist die weitere Verlängerung der Kohärenzzeiten. Während frühe Transmon-Qubits nur Kohärenzzeiten im Bereich weniger Nanosekunden erreichten, sind heute Zeiten über T_2 > 100 ,\mu\text{s} üblich.

Langfristig wird angestrebt, die Dekohärenzraten so weit zu senken, dass sie für praktischen, fehlertoleranten Betrieb geeignet sind. Fehlerkorrekturprotokolle wie der Surface Code setzen voraus, dass die logische Fehlerrate p_L signifikant unter dem Schwellenwert p_{th} liegt:

p_L \ll p_{th}

Aktuelle Strategien zur Erreichung dieser Zielmarke beinhalten:

  • Bessere Materialqualität, z.B. Tantal als Supraleiter mit reduzierter Verlusttangente
  • Optimierte Geometrien, die Oberflächenverluste minimieren
  • Dynamische Entkopplungsverfahren zur Unterdrückung von Rauschquellen

Darüber hinaus ist die präzise Charakterisierung der Fehlerprozesse essenziell. Dabei werden Methoden wie Randomized Benchmarking eingesetzt, um mittlere Gate-Fidelities F quantitativ zu erfassen. Eine typische Kenngröße ist:

F = 1 - \epsilon wobei \epsilon die mittlere Fehlerrate pro Operation bezeichnet.

Integration mit Quantenkommunikationsnetzen

Ein weiterer wichtiger Trend besteht darin, supraleitende Qubits als Knotenpunkte in verteilten Quantenkommunikationsnetzen zu nutzen. Ziel ist ein hybrides System, in dem lokale Qubit-Register über photonische Schnittstellen verbunden werden.

Solche Netzwerke könnten es künftig erlauben:

  • Verschlüsselte Kommunikation auf Basis verschränkter Zustände
  • Verteilte Quantenalgorithmen
  • Ressourcenteilung zwischen Quantenrechenzentren

Die technische Herausforderung besteht vor allem darin, eine effiziente Mikrowellen-zu-Optik-Konversion zu realisieren. Der Wirkungsgrad \eta dieser Schnittstellen muss so hoch sein, dass die Übertragung der Quantenzustände mit minimaler Dekohärenz gelingt:

\eta \rightarrow 1

Wallraffs Gruppe gehört zu den international führenden Teams, die Konzepte für solche Schnittstellen erarbeiten und experimentell umsetzen.

Neue interdisziplinäre Herausforderungen

Synergien mit Materialwissenschaften, Mikrowellentechnologie und Photonik

Die nächste Generation supraleitender Quantenprozessoren wird nur durch enge Zusammenarbeit zwischen Disziplinen entstehen. Besonders relevant sind Fortschritte in folgenden Bereichen:

  • Materialwissenschaften: Herstellung ultrareiner Supraleiterschichten, Kontrolle von Grenzflächen, Reduktion von Zwei-Level-Systemen, die Dekohärenz verursachen.
  • Mikrowellentechnologie: Entwicklung verlustarmer Kopplungselemente, hocheffizienter Resonatoren und rauschreduzierter Verstärker.
  • Photonik: Integration von Mikrowellen-Photon-Konvertern und photonischen Routing-Elementen auf einem Chip.

Solche Synergien erfordern ein hohes Maß an Koordination und den Aufbau neuer Kompetenzzentren. Wallraff betont in seinen Vorträgen regelmäßig, dass nur interdisziplinäre Ansätze die technische Reife ermöglichen, um von Prototypen zu skalierbaren, fehlertoleranten Systemen überzugehen.

Potenziale für Quantensimulatoren

Neben dem Bau universeller Quantencomputer rücken Quantensimulatoren zunehmend in den Fokus. Dabei handelt es sich um spezialisierte Schaltungen, die bestimmte Vielteilchensysteme effizient nachbilden können. Supraleitende Plattformen sind hierfür besonders geeignet, da Kopplungsstärken und Topologien flexibel gestaltet werden können.

Ein typisches Modell, das in supraleitenden Quantensimulatoren implementiert wird, ist das Bose-Hubbard-Hamiltonian:

\hat{H} = -J \sum_{\langle i,j \rangle}\left(\hat{a}_i^\dagger \hat{a}_j + \hat{a}_j^\dagger \hat{a}_i\right) + \frac{U}{2}\sum_i \hat{n}_i(\hat{n}_i - 1)

Hier stehen J für die Tunnelkopplung, U für die lokale Wechselwirkung und \hat{n}_i für den Besetzungszahloperator.

Wallraffs Gruppe hat in Zürich bereits erste Experimente durchgeführt, die zeigen, wie sich solche Modelle mit supraleitenden Oszillatoren simulieren lassen. In den nächsten Jahren ist damit zu rechnen, dass Quantensimulatoren für Materialforschung, Chemie und Optimierungsprobleme zu einem der bedeutendsten Anwendungsfelder supraleitender Technologien avancieren.

Fazit

Die wissenschaftliche Karriere von Andreas Wallraff steht exemplarisch für den Aufstieg der Quantentechnologien zu einem zentralen Innovationsfeld des 21. Jahrhunderts. Sein Weg von den ersten Arbeiten an supraleitenden Strukturen in München über die bahnbrechenden Circuit-QED-Experimente in Yale bis hin zum Aufbau eines der weltweit führenden Labore an der ETH Zürich zeigt eindrucksvoll, wie Grundlagenforschung und technologische Vision zusammenwirken können.

Wallraff hat mit seiner Forschung nicht nur die physikalischen Grundlagen supraleitender Qubits entscheidend vorangebracht, sondern auch neue Wege der Skalierung, Hybridisierung und Fehlerkorrektur eröffnet. Seine Experimente zur starken Kopplung zwischen Qubits und Resonatoren, beschrieben durch Modelle wie das Jaynes-Cummings-Hamiltonian

\hat{H} = \hbar \omega_r \hat{a}^\dagger \hat{a} + \frac{1}{2}\hbar \omega_q \hat{\sigma}<em>z + \hbar g \left(\hat{a}^\dagger \hat{\sigma}</em>- + \hat{a}\hat{\sigma}_+\right)

sind heute Standardreferenzen der Quanteninformationswissenschaft.

Sein nachhaltiger Einfluss zeigt sich auf mehreren Ebenen:

  • In der Wissenschaft hat er die supraleitende Plattform von einem Nischenthema zu einer der weltweit führenden Technologien für Quantenprozessoren entwickelt.
  • In der Ausbildung hat er eine Generation junger Forscherinnen und Forscher geprägt, die heute selbst international Spitzenforschung betreiben.
  • In der industriellen Umsetzung hat er wichtige Beiträge zum Technologietransfer geleistet und den Weg bereitet, supraleitende Qubits in kommerzielle Anwendungen zu überführen.

Die Rolle von Andreas Wallraff als Visionär der Quantentechnologie lässt sich nicht nur an Preisen und Publikationen ablesen, sondern vor allem an seinem strategischen Weitblick. Er hat früh erkannt, dass der Erfolg von Quantencomputern auf dem Zusammenwirken unterschiedlichster Disziplinen beruht – von der Materialwissenschaft bis zur Hochfrequenztechnik, von der Informatik bis zur theoretischen Physik.

Sein Wirken zeigt, dass wissenschaftlicher Fortschritt nur dann nachhaltig wirkt, wenn er mit der Ausbildung junger Talente, der internationalen Vernetzung und dem gesellschaftlichen Dialog verbunden ist. In diesem Sinne kann die Karriere von Andreas Wallraff als Meilenstein in der Entwicklung der Quantentechnologien betrachtet werden – ein Beispiel für die Kraft wissenschaftlicher Neugier, interdisziplinärer Zusammenarbeit und technologischer Exzellenz.

Mit freundlichen Grüßen Jörg-Owe Schneppat


Literaturverzeichnis

Wissenschaftliche Zeitschriften und Artikel

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Bücher und Monographien

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    In: Les Houches Session XCV – Quantum Machines: Measurement and Control of Engineered Quantum Systems (2014).
    ISBN: 978-0-444-63373-0
  • Wendin, G.:
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    DOI: 10.1103/RevModPhys.93.025005
  • Schuster, D.:
    Circuit Quantum Electrodynamics: Microwave Photons in Superconducting Circuits.
    Springer Theses Series, Springer (2011).
    ISBN: 978-3-642-18034-0

Online-Ressourcen und Datenbanken