H. Jeff Kimble

Harry Jeff Kimble ist einer der herausragendsten Experimentalphysiker unserer Zeit, dessen Arbeiten die moderne Quantenoptik entscheidend geprägt haben. Mit visionärem Denken, außergewöhnlicher Präzision im Experiment und einer tiefen Verbindung zur theoretischen Physik gelang es ihm, zentrale Konzepte der Quantentechnologie nicht nur theoretisch zu fassen, sondern auch in kontrollierte Experimente zu überführen. Besonders durch seine Pionierarbeit im Bereich der Cavity Quantum Electrodynamics (CQED) hat er neue Maßstäbe gesetzt, wie sich Licht und Materie auf der Ebene einzelner Quanten kontrollieren lassen – eine Voraussetzung für viele Anwendungen in der Quantenkommunikation und Quanteninformationsverarbeitung.

Die Relevanz von Kimble’s Werk erstreckt sich über mehrere Ebenen: Seine Experimente lieferten nicht nur den ersten Nachweis der Wechselwirkung eines einzelnen Photons mit einem einzelnen Atom in einem optischen Resonator, sondern begründeten auch den Weg zu Quanten-Gattern, photonischen Netzwerken und letztlich zur Vision eines Quanteninternets. Der tiefgreifende Einfluss dieser Arbeiten wird zunehmend deutlich, da viele heute entstehende Technologien – etwa Quantenrouter, Photonenspeicher oder quanteninspirierte Netzwerktopologien – auf den Grundlagen aufbauen, die Kimble in den 1980er- und 1990er-Jahren legte.

Kontext: Bedeutung der Quantenoptik und Quanteninformation

Die Quantenoptik erforscht die fundamentalen Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie im quantenmechanischen Regime. Dabei geht es nicht nur um die Beschreibung der Lichtquanten (Photonen), sondern insbesondere um ihre kohärente Steuerung und ihre Verschränkung mit anderen quantisierten Systemen – beispielsweise einzelnen Atomen, Ionen, supraleitenden Qubits oder mechanischen Oszillatoren.

Diese kontrollierte Wechselwirkung eröffnet ein breites Spektrum an technologischen Möglichkeiten: von abhörsicherer Kommunikation mittels Quantenkryptographie über ultraschnelle, parallelisierte Berechnungen in Quantencomputern bis hin zur Simulation komplexer Quantensysteme in der Quantenchemie und Festkörperphysik. In vielen dieser Bereiche kommt es auf die präzise Erzeugung, Manipulation und Messung einzelner Quantenzustände an – ein Feld, das durch die Arbeiten von Harry Jeff Kimble maßgeblich erschlossen wurde.

Die Entwicklung hin zu einem „Quantum Internet“, das durch verschränkte Quantenzustände Informationen übertragen und verarbeiten kann, ist ohne die Beiträge der Quantenoptik nicht denkbar. Und es war Kimble, der als einer der ersten die visionäre Verbindung zwischen der experimentellen Realisierung von Licht-Materie-Wechselwirkungen und deren praktischer Nutzung für Quanteninformationssysteme zog.

Kurzporträt: Harry Jeff Kimble – Ein Name, der Quantenlicht schreibt

Geboren 1949 in Oklahoma, etablierte sich Harry Jeff Kimble nach seinem Studium und seiner Promotion als führender Kopf der experimentellen Quantenoptik. Nach seiner Promotion an der University of Rochester wurde er Professor am California Institute of Technology (Caltech), wo er über Jahrzehnte hinweg das Quantum Optics Laboratory aufbaute und leitete. Seine Karriere ist gesäumt von Meilensteinen: die erste Beobachtung von Photon-Antibunching, die Demonstration von Atom-Photon-Verschränkung, und nicht zuletzt die theoretisch-experimentelle Formulierung der Idee eines „Quanteninternets“.

Kimble ist nicht nur ein akribischer Experimentator, sondern auch ein visionärer Systemdenker. Seine Fähigkeit, neue Konzepte zu antizipieren und zugleich mit technischer Präzision umzusetzen, macht ihn zu einer Ausnahmeerscheinung in der Welt der Physik. Seine Arbeiten inspirieren bis heute Forscher*innen weltweit, von Grundlagenphysik bis zu quantentechnologischen Anwendungen.

Aufbau und Ziel der Abhandlung

Ziel dieser Abhandlung ist es, die wissenschaftliche Laufbahn und den bleibenden Einfluss von Harry Jeff Kimble auf die moderne Quantenwissenschaft systematisch darzustellen. Die Arbeit gliedert sich in neun Abschnitte:

  • Zunächst werden Kimble’s Herkunft, Ausbildung und frühe wissenschaftliche Prägung beleuchtet.
  • Es folgen detaillierte Analysen seiner Beiträge zur Cavity-QED, zur Atom-Photon-Verschränkung und zu quantenoptischen Steuermechanismen.
  • Danach rücken seine Rolle als Mentor, sein Beitrag zur Forschungspolitik sowie die Ehrungen in den Vordergrund.
  • Schließlich wird das Vermächtnis seiner Ideen im Kontext aktueller Entwicklungen wie dem Quantum Internet und photonischen Netzwerken reflektiert.

Die Abhandlung stützt sich auf eine Vielzahl von Fachpublikationen, Konferenzberichten und Originalquellen und möchte sowohl die historische Tiefe als auch die technologische Weitsicht von Kimble’s Wirken würdigen.

Frühe Jahre und akademische Ausbildung

Herkunft und Kindheit

Harry Jeff Kimble wurde 1949 im US-Bundesstaat Oklahoma geboren – in einer Zeit, in der sich die Quantenmechanik als noch junge, aber bereits tiefgreifende Theorie zu entfalten begann. Über seine frühe familiäre Prägung ist in der Fachliteratur wenig dokumentiert, doch zeichnet sich bereits in seiner Jugend ein intensives Interesse an physikalischen Phänomenen ab. Anders als viele seiner späteren Kolleginnen und Kollegen, die sich früh auf theoretische Konzepte spezialisierten, entwickelte Kimble ein intuitives Gespür für experimentelle Methodik und das Bedürfnis, physikalische Prozesse unmittelbar erfahrbar zu machen.

Seine Neugier galt nicht nur der Frage, wie Naturgesetze mathematisch formuliert sind, sondern vor allem, wie sie sich konkret nachweisen lassen. Bereits während seiner Schulzeit zeigte er eine bemerkenswerte Fähigkeit, komplexe technische Probleme zu erfassen und systematisch zu lösen – eine Eigenschaft, die sein gesamtes wissenschaftliches Leben prägen sollte. Diese frühe Verbindung von Technikverständnis und naturwissenschaftlicher Neugier ebnete den Weg für seine spätere Spezialisierung in der experimentellen Quantenoptik.

Studium und wissenschaftliche Prägung

Studium der Physik an der Abilene Christian University

Kimble begann sein Physikstudium an der Abilene Christian University (ACU) in Texas – einer Hochschule, die zu dieser Zeit nicht zu den klassischen Zentren der Physik gehörte. Umso bemerkenswerter ist es, dass Kimble dort eine solide naturwissenschaftliche Grundlage erwarb, die durch kleine Lerngruppen und enge Betreuung besonders praxisnah vermittelt wurde. An der ACU entwickelte er ein tiefes Verständnis klassischer Physik, insbesondere der Optik und Elektrodynamik, und wurde früh mit experimentellen Arbeitsweisen vertraut.

Diese solide Grundlage in klassischer Physik war für Kimble entscheidend, um später die Brücke zur Quantenoptik zu schlagen – einem Feld, das zwar auf der Quantenmechanik basiert, aber gleichzeitig tief in der klassischen Wellenausbreitungstheorie verwurzelt ist. Während seiner Zeit in Abilene zeigte sich auch erstmals sein ausgeprägtes Talent für physikalisch-mathematische Modellbildung und seine Fähigkeit, komplexe Fragestellungen experimentell umzusetzen.

Promotion an der University of Rochester (1977)

Nach seinem Bachelorabschluss wechselte Kimble für seine Promotion an die University of Rochester im Bundesstaat New York – eine der renommiertesten Hochschulen für Optik weltweit. Dort schloss er sich dem Labor von Leonard Mandel an, einem der Pioniere auf dem Gebiet der Quantenoptik. Die Zusammenarbeit mit Mandel sollte sich als prägend für Kimble’s gesamte wissenschaftliche Laufbahn erweisen.

Seine Dissertation trug maßgeblich zur experimentellen Bestätigung eines der zentralen Konzepte der Quantenoptik bei: dem Photon-Antibunching. In einer bahnbrechenden Veröffentlichung von 1977 konnten Kimble, Mandel und Dagenais erstmals nachweisen, dass einzelne Photonen – im Gegensatz zur klassischen Vorstellung von Licht – nicht gehäuft, sondern antibunched auftreten, also mit einer quantisierenden Struktur ausgesendet werden. Dies war ein direkter Beweis für die Existenz einzelner Photonen als diskrete Quantenobjekte – ein Meilenstein der experimentellen Quantenoptik.

Das Phänomen lässt sich in Form der g²-Korrelationsfunktion mathematisch ausdrücken. Für vollständig antibunched Licht gilt:

g^{(2)}(0) < 1

Im Experiment von Kimble wurde erstmals g^{(2)}(0) \approx 0 gemessen – ein klarer Hinweis auf nicht-klassisches Verhalten des Lichts.

Einfluss von Leonard Mandel auf Kimble

Leonard Mandel war mehr als nur ein akademischer Betreuer – er war ein echter Mentor. Mandel vermittelte nicht nur die technischen Aspekte der Quantenoptik, sondern vor allem das tiefere physikalische Denken: das Verständnis, dass Quantenphänomene nicht nur statistische Effekte sind, sondern grundlegende Strukturen der Realität abbilden. Mandel’s Ansatz kombinierte theoretische Eleganz mit experimenteller Disziplin – eine Haltung, die Kimble konsequent in seine eigene Forschung übernahm.

Kimble lernte unter Mandel, wie man hochpräzise optische Experimente entwirft, durchführt und interpretiert. Diese Lehre trug er später als Professor und Laborleiter weiter. Der interdisziplinäre Ansatz Mandel’s – eine Mischung aus Quantenoptik, statistischer Physik und Ingenieurwissenschaft – bereitete Kimble optimal auf die großen Herausforderungen vor, die ihn in den folgenden Jahrzehnten erwarten sollten: das Design von Hohlraumresonatoren, die Einzelphoton-Interaktion und die Vision eines Quanteninternets.

Die bahnbrechenden Arbeiten zur Quantenelektrodynamik im Hohlraum (CQED)

Das erste Ein-Atom-Laser-Experiment

Beschreibung des Experiments von 1985

Im Jahr 1985 gelang Harry Jeff Kimble gemeinsam mit Hideo Mabuchi und anderen Kollegen ein Experiment, das die Grundlagen der Quantenoptik revolutionierte: die Realisierung eines Lasers mit nur einem einzigen Atom als Verstärkermedium. Dieses Ein-Atom-Laser-Experiment war eines der ersten, in dem ein einzelnes Atom in einem optischen Hohlraum (Cavity) mit einem einzelnen Modus des elektromagnetischen Feldes kohärent wechselwirkte.

In einem stark reflektierenden optischen Resonator wurde ein einzelnes Cäsium-Atom so positioniert, dass es über viele Zyklen hinweg mit den reflektierten Photonen desselben Modus wechselwirken konnte. Die Kopplung zwischen Atom und Photon erfolgte dabei im sogenannten starken Kopplungsregime der Cavity Quantum Electrodynamics (CQED), in dem die Rabi-Frequenz g die Zerfallsraten des Atoms \gamma und des Hohlraums \kappa deutlich übersteigt:

g \gg {\gamma, \kappa}

In diesem Regime entstehen kohärente Oszillationen zwischen Atom und Feld – sogenannte Vacuum Rabi Oscillations. Die Emission eines Photons ist hier kein spontaner, sondern ein reversibler Prozess, bei dem das Photon mehrfach zwischen Atom und Feldmoden oszilliert.

Bedeutung für das Verständnis von Licht-Materie-Wechselwirkungen

Das Ein-Atom-Laser-Experiment war ein Meilenstein, weil es erstmals eine vollständig kontrollierte quantendynamische Kopplung zwischen einem einzelnen Quantensystem (dem Atom) und einem makroskopischen quantisierten Feldsystem (dem Cavity-Modus) demonstrierte. Es zeigte, dass es möglich ist, Licht nicht nur zu detektieren oder zu modulieren, sondern es auf der Ebene einzelner Photonen gezielt zu steuern.

Die Ergebnisse des Experiments lieferten den ersten experimentellen Zugang zur quantenmechanischen Wechselwirkung:

H = \hbar g (a^\dagger \sigma^- + a \sigma^+)

Hier beschreibt a^\dagger die Erzeugung eines Photons im Cavity, \sigma^+ die Anregung des Atoms – ein Hamiltonoperator, der das Herzstück vieler quantenoptischer Systeme bildet.

Entwicklung der Cavity QED (CQED)

Funktionsweise und Theorie

Die Cavity Quantum Electrodynamics (CQED) untersucht die Wechselwirkung von Licht und Materie innerhalb eines Resonators. Der Hohlraum dient als quantisiertes elektromagnetisches System mit diskreten Moden, in denen Photonen „gefangen“ werden. Wenn ein Atom oder ein anderes Quantensystem in den Hohlraum eingeführt wird, kann es mit den Moden kohärent wechselwirken.

Der Zustand des Gesamtsystems lässt sich als verschränkter Zustand von Atom und Feld beschreiben. Die zeitabhängige Dynamik folgt aus der Schrödinger-Gleichung mit einem Jaynes–Cummings-Hamiltonian:

H = \hbar \omega a^\dagger a + \frac{\hbar \omega_0}{2} \sigma_z + \hbar g (a^\dagger \sigma^- + a \sigma^+)

Hierbei bezeichnet \omega die Frequenz des Cavity-Modus, \omega_0 die Übergangsfrequenz des Atoms und g die Kopplungsstärke.

Kimble als Pionier der kontrollierten Licht-Materie-Kopplung

Kimble war einer der Ersten, der nicht nur die Theorie der CQED ernst nahm, sondern sie in hochpräzise Experimente übersetzte. Er entwickelte Lasersysteme, Kühltechniken und Stabilisierungsmethoden, um einzelne Atome gezielt in einem Resonator zu platzieren und ihre Wechselwirkung mit dem Lichtfeld über längere Zeit zu beobachten.

Besonders innovativ war dabei der Einsatz von Cäsium-Atomen und die Verwendung von High-Finesse-Spiegeln, die eine extrem hohe Reflexion und damit lange Photonenlebensdauern im Resonator ermöglichten. Kimble legte mit diesen Arbeiten das Fundament für viele spätere Systeme – etwa supraleitende Qubits in Mikrowellenresonatoren oder Quantenpunkte in photonischen Kristallen.

Einfluss auf die Entwicklung von Quantencomputern

Steuerbare Wechselwirkung als Grundbaustein für Quanten-Gatter

Die Arbeiten von Kimble zur CQED zeigten erstmals experimentell, dass sich Wechselwirkungen zwischen zwei quantisierten Systemen vollständig kontrollieren lassen. Dies ist die Grundlage für Quantenlogik-Gatter, bei denen zwei Qubits – z. B. Atom und Photon – kohärent gekoppelt werden, um logische Operationen auszuführen.

Ein universelles Quanten-Gatter benötigt kontrollierte Zwei-Qubit-Operationen, typischerweise realisiert durch eine Hamilton-Dynamik wie:

U = e^{-i H t / \hbar}

Wenn H eine kontrollierte Wechselwirkung darstellt, kann man z. B. ein kontrolliertes-NOT-Gatter (CNOT) oder ein Phasengatter erzeugen – zentrale Elemente aller Quantenalgorithmen.

Kimble’s Plattform zeigte als erste, dass solche kontrollierten Kopplungen zwischen einzelnen Qubits technisch realisierbar sind – mit echter Quantenkohärenz und ohne klassische Störungen. Dies beeinflusste eine ganze Generation von Forscher*innen, die auf dieser Basis Quantenprozessoren, photonische Quantencomputer und hybride Systeme entwickelten.

Der Gedanke, Licht als Vermittler von Quanteninformationen zu nutzen – etwa durch „fliegende Qubits“ (Photonen), die stationäre Qubits (Atome) verbinden – lässt sich direkt auf die CQED-Experimente von Kimble zurückführen. Diese Architektur bildet bis heute den Kern moderner Ansätze zur verteilten Quantenverarbeitung und zur Realisierung eines Quanteninternets.

Atom-Photon-Verschränkung und Quantenkommunikation

Quantenverschränkung in optischen Systemen

Realisierung von Atom-Photon-Verschränkung

Ein zentraler Fortschritt in der experimentellen Quantenoptik war die erfolgreiche Erzeugung von Verschränkung zwischen einem einzelnen Atom und einem einzelnen Photon – ein komplexes quantenmechanisches Phänomen, das Kimble und sein Team am Caltech in den frühen 2000er-Jahren realisierten. In diesen Experimenten wurde ein Atom in einem optischen Hohlraum so manipuliert, dass es durch Emission eines Photons in einen verschränkten Zustand überführt wurde. Das resultierende System lässt sich als Superposition schreiben:

|\Psi\rangle = \frac{1}{\sqrt{2}} \left( |g\rangle \otimes |1\rangle + |e\rangle \otimes |0\rangle \right)

Dabei bezeichnet |g\rangle den Grundzustand des Atoms, |e\rangle den angeregten Zustand, |1\rangle ein Photon im Cavity-Modus und |0\rangle das Vakuum.

Diese kontrollierte Erzeugung eines verschränkten Zustands zwischen einem stationären Quantensystem (dem Atom) und einem fliegenden Qubit (dem Photon) war ein fundamentaler Schritt hin zu verteilten Quantenarchitekturen, bei denen Informationen über große Distanzen hinweg verschränkt übertragen werden können.

Experimente zur nichtlokalen Quantenkorrelation

Kimble zeigte in seinen Arbeiten, dass sich solche verschränkten Zustände nicht nur lokal beobachten, sondern auch über große räumliche Distanzen aufrechterhalten lassen. In späteren Experimenten gelang es seiner Gruppe, das emittierte Photon in eine optische Faser einzukoppeln und an einem entfernten Ort zu detektieren, während gleichzeitig der Zustand des Atoms ausgelesen wurde.

Der gemeinsame Zustand von Atom und Photon zeigte dabei nichtlokale Korrelationen, die durch Bell’sche Ungleichungen quantifiziert werden konnten. Dies war der Beweis, dass es sich um echte Quantenverschränkung und nicht um klassische Korrelationen handelte.

Die Möglichkeit, nichtlokale Quanteninformation zwischen zwei physikalisch getrennten Systemen zu übertragen, ist der Grundpfeiler moderner Quantenkommunikation. Kimble’s Beiträge haben hier die experimentelle Grundlage für Quantenkryptographie, Teleportation und netzwerkbasierte Quantenalgorithmen geschaffen.

Grundlagen der Quantenkommunikation

Kimble’s Beitrag zur Idee des „Quantum Internet

Bereits Ende der 1990er-Jahre begann Kimble, über die rein physikalischen Experimente hinaus eine systematische Vision zu entwickeln: ein globales Netzwerk aus verschränkten Quantenknoten, in denen stationäre Qubits (z. B. Atome) durch fliegende Qubits (Photonen) verbunden sind. Dieses Konzept – später bekannt als Quantum Internet – unterscheidet sich fundamental von klassischen Netzwerken, da Informationen nicht kopiert, sondern nur übertragen und teleportiert werden können.

Die Architektur eines solchen Netzwerks beruht auf drei Schlüsselelementen:

  1. Quantenknoten: Systeme mit speicherbaren Qubits (z. B. Atome, Ionen, supraleitende Schaltkreise)
  2. Photonische Verbindungen: Lichtimpulse, die verschränkte Zustände übertragen
  3. Quantenrepeater: Geräte, die verschränkte Zustände zwischen entfernten Knoten effizient verlängern

Kimble entwickelte Konzepte, wie sich diese Elemente experimentell realisieren lassen – insbesondere durch Kombination von CQED-Technologie mit optischen Fasern und kontrollierten Emissionen.

Quantenrepeater, Photonenspeicher und Quantennetzwerke

Ein technisches Problem bei der Übertragung von Quanteninformation über große Entfernungen ist der Photonenverlust in optischen Fasern. Klassische Verstärker funktionieren nicht, da Quanteninformation nicht geklont werden kann (No-Cloning-Theorem). Die Lösung: Quantenrepeater – Knoten, die verschränkte Zustände in segmentierten Netzwerken erzeugen und durch „Entanglement Swapping“ verlängern.

Kimble arbeitete in zahlreichen Publikationen und Laboraufbauten an der Realisierung solcher Systeme. Er entwickelte Methoden, um Photonen verlustarm zu speichern und kontrolliert abzurufen – sogenannte Photonenspeicher, die heute als Schlüsselkomponenten in quantenvernetzten Architekturen gelten.

In frühen Quantennetzwerk-Experimenten koppelte er einzelne Atome über Photonenzustände, die über viele Meter hinweg miteinander verschränkt blieben – ein direkter Beweis für die Machbarkeit verteilter Quantenkommunikation.

Ein wegweisendes Paper: „The Quantum Internet“ (Nature 2008)

Analyse der Vision

Im Jahr 2008 veröffentlichte Harry Jeff Kimble in „Nature“ das wegweisende Übersichts- und Konzeptpapier „The Quantum Internet“ – ein Artikel, der heute als Manifest einer neuen Epoche der Informationsverarbeitung gilt. Darin entwarf er ein realistisches Szenario, wie sich verteilte Quanteninformationssysteme in modularen Architekturen technisch umsetzen lassen könnten. Er definierte darin auch die spezifischen Anforderungen an Hardware, Kopplungsmechanismen und Fehlerkorrekturverfahren.

Ein zentrales Diagramm des Artikels zeigte eine modulare Netzwerkstruktur mit atomaren Qubits, optischen Verbindungslinien, Repeater-Knoten und photonischen Schnittstellen – heute Standard in der Forschung und Grundlage für viele aktuelle Initiativen.

Auswirkungen auf spätere Projekte wie das ARDA Quantum Network

Kimble’s Konzept inspirierte zahlreiche Projekte weltweit. Besonders hervorzuheben ist das ARDA Quantum Network (Advanced Research and Development Activity, USA), das früh versuchte, Komponenten eines verteilten Quantenkommunikationsnetzwerks zu realisieren. Viele der technischen Ansätze – etwa die photonische Kopplung über Mikrofaserresonatoren, die synchronisierte Verschränkung oder die Integration von Quantenrepeatern – greifen direkt auf Kimble’s Arbeiten zurück.

Auch europäische Projekte wie Quantum Flagship oder das chinesische QUESS-Satellitenprogramm (Micius) stehen in einer wissenschaftlichen Tradition, deren Ursprünge klar auf Kimble’s CQED- und Netzwerkforschung zurückzuführen sind. Heute ist das „Quantum Internet“ nicht mehr nur eine theoretische Vision, sondern Bestandteil nationaler Technologieroadmaps in den USA, der EU und China.

Optomechanik und Lichtkontrolle auf Quantenebene

Kontrolle einzelner Photonen

Realisierung photonischer Schaltkreise

Einer der ambitioniertesten Forschungsstränge von Harry Jeff Kimble war die Entwicklung von Systemen zur aktiven Kontrolle einzelner Photonen – eine Herausforderung, die in der klassischen Optik unvorstellbar schien. Ziel war es, das Verhalten von Licht nicht nur statistisch zu beschreiben, sondern individuelle Photonen als Träger und Vermittler von Quanteninformation gezielt zu steuern – analog zu elektrischen Ladungsträgern in klassischen Transistoren.

Kimble nutzte hierzu komplexe Cavity-QED-Architekturen, bei denen ein einzelnes Atom in einem optischen Resonator als nichtlinearer Lichtschalter fungierte. Die Anregung oder Dämpfung des Atoms veränderte die Durchlässigkeit des Resonators für Photonen – was in letzter Konsequenz einer photonischen Schaltung entsprach. Derartige photonische Schaltkreise sind die Grundlage für die Entwicklung optischer Quantenprozessoren, bei denen Licht nicht nur Information überträgt, sondern sie auch verarbeitet.

Die verwendete Dynamik lässt sich mit einem Master-Gleichungsansatz in offenen Quantensystemen beschreiben, etwa:

\frac{d\rho}{dt} = -\frac{i}{\hbar}[H, \rho] + \mathcal{L}[\rho]

wobei \mathcal{L}[\rho] den dissipativen Superoperator beschreibt, der Verluste und Dekohärenz modelliert.

Einzelphoton-Transistor und photonische Gatter

Ein besonders bemerkenswertes Ergebnis war die Demonstration eines Einzelphoton-Transistors. In diesem Experiment konnte ein einzelnes Photon über den Zustand eines Atoms entscheiden, ob ein zweites Photon durch den Resonator transmittiert wurde oder nicht – eine extrem starke nichtlineare Wechselwirkung auf Ein-Photon-Niveau.

Dieses Verhalten ist vergleichbar mit einem klassischen Transistor, bei dem ein einzelnes Elektron den Stromfluss kontrolliert. Hier jedoch operiert das System vollständig im Quantenzustand, wodurch sich photonische Zwei-Qubit-Gatter realisieren lassen, etwa:

U_{\text{CZ}} = \text{diag}(1, 1, 1, -1)

Das Controlled-Z-Gatter ist ein elementarer Baustein vieler Quantenalgorithmen, z. B. der Grover-Suche oder der Quanten-Fourier-Transformation. Kimble’s photonische Gatter-Architektur gilt bis heute als Grundmodell für viele Entwicklungen in integrierter Quantenphotonik.

Quantenoptische Kontrollmechanismen

Coherente Zustände, Photonblockade und Quantensprünge

Ein weiterer Höhepunkt in Kimble’s Forschung war die kontrollierte Erzeugung und Messung kohärenter Zustände sowie nichtklassischer Lichtzustände wie der Photonblockade. In klassischen Lasern überlagern sich viele Photonen in einem Modus – bei der Photonblockade hingegen verhindert die Anwesenheit eines Photons die Aufnahme eines weiteren. Dies ist ein genuin quantenmechanischer Effekt, der sich in einem Cavity-QED-System unter den Bedingungen starker Kopplung zeigt.

Mathematisch äußert sich die Blockade in einer drastischen Unterdrückung der zweiten Ordnungskorrelation:

g^{(2)}(0) \ll 1

Ein solcher Zustand ist ein Indikator für die Sub-Poisson-Verteilung des Lichts – ein Beleg für die Quanten-Natur des Systems. Kimble realisierte diese Zustände experimentell und konnte sogar die Quantensprünge einzelner Atome in Echtzeit beobachten – also diskrete Übergänge zwischen Energiezuständen, ausgelöst durch Wechselwirkung mit einzelnen Photonen.

Diese Sprünge wurden mithilfe zeitaufgelöster Fluoreszenzmessungen sichtbar gemacht und ermöglichten eine direkte Beobachtung der Quantendynamik – ein bis dahin kaum erreichbares Ziel in der experimentellen Quantenphysik.

Verknüpfung mit der offenen Quanten-Systemtheorie

Ein besonders eindrucksvoller Aspekt von Kimble’s Methodik war seine konsequente Integration von Theorie und Experiment. In enger Zusammenarbeit mit Theoretikern wie Hideo Mabuchi, Andrew Doherty und Ignacio Cirac entwickelte er Modelle für offene Quantensysteme, in denen Verschränkung, Dekohärenz und Rückkopplung gemeinsam betrachtet werden.

Diese Systeme werden durch sogenannte „quantum jump trajectories“ beschrieben – ein Formalismus, bei dem die Wellenfunktion eines Systems stochastisch zwischen verschiedenen Zuständen springt, bedingt durch die Messung oder spontane Emission. Die zentrale Gleichung ist die stochastische Schrödinger-Gleichung:

d|\psi(t)\rangle = -\frac{i}{\hbar} H_{\text{eff}} |\psi(t)\rangle dt + dN(t) \left( \frac{c |\psi(t)\rangle}{|c |\psi(t)\rangle|} - |\psi(t)\rangle \right)

Diese Perspektive ermöglichte ein tieferes Verständnis der realen Dynamik in Quantenexperimenten – jenseits idealisierter Zustände. Kimble war einer der ersten, der dieses Wissen nutzte, um experimentelle Systeme so zu gestalten, dass bestimmte Quantendynamiken bevorzugt auftreten – z. B. durch kontinuierliche Messung, Feedback oder Resonatorengineering.

Kimble als Mentor und Wissenschaftsorganisator

Wirkung an der Caltech

Aufbau des Quantum Optics Laboratory

Nach seiner Berufung an das California Institute of Technology (Caltech) begann Harry Jeff Kimble mit dem systematischen Aufbau eines der weltweit führenden Labore für experimentelle Quantenoptik. Das von ihm gegründete Quantum Optics Laboratory entwickelte sich rasch zu einem Mekka für junge Physiker*innen, die sich der Grenzregion zwischen Quantenphysik, Technologie und Informationstheorie widmen wollten.

Im Zentrum der Labortätigkeit stand stets die experimentelle Erforschung der fundamentalen Wechselwirkung zwischen Licht und Materie – insbesondere im Regime einzelner Photonen und Atome. Kimble etablierte ein Umfeld, das nicht nur auf Präzision in der Messtechnik setzte, sondern auch auf die ständige Rückkopplung zwischen Theorie und Praxis. Seine experimentellen Plattformen dienten zugleich als Testbetten für neue Theorien der offenen Quantensysteme, Quantendekohärenz und Informationsverarbeitung.

Im Labor entstand eine Kultur des technischen Exzellenzstrebens, in der Konzepte wie aktive Laserfrequenzstabilisierung, ultrahohe Vakuumsysteme und supraleitende Photonendetektion zum Standardrepertoire gehörten. Gleichzeitig wurde großer Wert auf interdisziplinäre Zusammenarbeit gelegt – insbesondere mit der Theoretischen Physik, Computerwissenschaften und Ingenieurwissenschaft.

Zusammenarbeit mit Schülern wie Hideo Mabuchi, Andrew Doherty

Ein besonderes Vermächtnis Kimble’s ist die Betreuung und Förderung außergewöhnlicher Nachwuchswissenschaftler. Zu seinen bekanntesten Schülern zählen:

  • Hideo Mabuchi, der später selbst eine internationale Karriere als Brückenbauer zwischen Quantenoptik, Informatik und Kontrolltheorie machte. Mabuchi arbeitete mit Kimble an CQED-Systemen mit Echtzeit-Feedback und wurde zu einem führenden Experten für stochastische Quantenkontrolle.
  • Andrew Doherty, heute Professor an der University of Sydney, fokussierte sich auf Quanteninformationstheorie, insbesondere auf Zustandsklassifikation und kontinuierliche Messung in offenen Quantensystemen. Seine Arbeiten zu Verschränkungsdetektion und Quantenkriterien basieren teilweise auf experimentellen Daten aus Kimble’s Labor.

Die Betreuung durch Kimble zeichnete sich durch eine Kombination aus intellektueller Freiheit, methodischer Disziplin und strategischer Projektplanung aus. Viele seiner Doktorand*innen berichten rückblickend von einer einzigartigen Atmosphäre der Neugier, des gegenseitigen Respekts und der Leidenschaft für präzises physikalisches Arbeiten.

Internationale Kooperationen und Netzwerke

Mitarbeit bei US-Initiativen zur Quantenforschung

Kimble spielte eine zentrale Rolle bei der strategischen Planung und Umsetzung US-amerikanischer Großinitiativen im Bereich Quantenwissenschaften. Bereits in den 1990er-Jahren war er beratend für das Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) sowie die National Institute of Standards and Technology (NIST) tätig. Insbesondere im Rahmen der Advanced Research and Development Activity (ARDA) beriet er bei der Definition technischer Benchmarks für Quantenkommunikation und Quantenrepeater.

Zudem war er mehrfach in hochrangigen Expertenpanels eingebunden, die die Roadmaps für die nationale Quantenstrategie der USA entwarfen – lange bevor das Thema in der Politik an Sichtbarkeit gewann. Seine experimentelle Expertise galt dabei als unverzichtbar, um ambitionierte Theoriemodelle auf ihre physikalische Umsetzbarkeit hin zu prüfen.

Insgesamt war Kimble nicht nur ein herausragender Forscher, sondern auch ein wissenschaftspolitischer Impulsgeber, der darauf bestand, dass visionäre Technologieentwicklungen stets auf harter physikalischer Evidenz beruhen müssen.

Rolle in Programmen wie QIS@Caltech, NSF Quantum Leap

Innerhalb von Caltech war Kimble Mitbegründer des Programms QIS@Caltech – einer interdisziplinären Initiative zur Förderung von Quantum Information Science auf Basis experimenteller und theoretischer Synergien. Dieses Programm ermöglichte die enge Verzahnung von Forschung, Lehre und technologischer Entwicklung im Bereich quanteninspirierter Systeme.

Im Rahmen des NSF Quantum Leap-Programms arbeitete Kimble an der Entwicklung von Plattformen zur skalierbaren Quantenkommunikation. Hier ging es nicht nur um die Verbesserung bestehender CQED-Systeme, sondern auch um die Erprobung neuer Materialklassen – z. B. photonische Kristalle, optomechanische Strukturen oder Halbleiterresonatoren.

Kimble war innerhalb dieser Netzwerke bekannt für seine Fähigkeit, technologische Machbarkeit und wissenschaftliche Integrität kompromisslos zu verbinden. Statt kurzfristige Trends zu bedienen, setzte er auf nachhaltige Architekturkonzepte, robuste Skalierbarkeit und eine strikte Validierung experimenteller Daten.

Sein Wirken hat bis heute Strahlkraft. Viele der heutigen Quanten-Hubs – ob in Boston, Zürich, Delft oder Hefei – bauen auf architektonischen Ideen auf, die in Kimble’s Netzwerken entwickelt oder kritisch diskutiert wurden.

Preise, Ehrungen und wissenschaftlicher Einfluss

Auswahl bedeutender Auszeichnungen

Im Laufe seiner wissenschaftlichen Karriere wurde Harry Jeff Kimble mit einer Vielzahl hochrangiger Preise und Mitgliedschaften geehrt – eine Anerkennung seiner tiefgreifenden Beiträge zur Quantenoptik und Quantentechnologie.

Einstein Prize for Laser Science (1990)

Im Jahr 1990 erhielt Kimble den Einstein Prize for Laser Science, verliehen von der Society for Optical and Quantum Electronics. Dieser Preis würdigt außergewöhnliche Leistungen auf dem Gebiet der Lasertechnologie und der damit verbundenen Grundlagenforschung. Die Auszeichnung hob insbesondere Kimble’s Arbeiten zur quantenmechanischen Kontrolle von Licht-Materie-Wechselwirkungen und seine bahnbrechenden Experimente in der Cavity-QED hervor.

Max Born Award (1996)

Ebenfalls herausragend war die Verleihung des Max Born Award durch die Optical Society of America (OSA). Dieser Preis ehrt Wissenschaftler für bedeutende Beiträge zur physikalischen Optik. Kimble wurde für seine fundamentalen Erkenntnisse über die Natur des Lichts auf Quantenebene ausgezeichnet – insbesondere für die erstmalige Realisierung von Photon-Antibunching sowie für seine theoretisch-experimentellen Beiträge zur Quantenkohärenz in offenen optischen Systemen.

Fano Prize der American Physical Society

Ein weiteres Zeichen der Anerkennung war der Fano Prize, der besondere Beiträge zum Verständnis komplexer quantenphysikalischer Systeme ehrt. Kimble’s Forschung an Verschränkung, photonischer Nichtlinearität und kontrollierter Dekomposition quantenmechanischer Zustände war ein Paradebeispiel für die Art physikalischer Einsicht, die mit diesem Preis gewürdigt wird.

Mitgliedschaft in der National Academy of Sciences (NAS)

Im Jahr 2003 wurde Kimble in die United States National Academy of Sciences aufgenommen – eine der höchsten wissenschaftlichen Ehrungen in den Vereinigten Staaten. Diese Mitgliedschaft reflektiert nicht nur seine Forschungsleistungen, sondern auch seine integrative Rolle in der Wissenschaftsgemeinschaft, seine Mentorfunktion und seine Beiträge zur strategischen Entwicklung der Quantentechnologien.

Zitationszahlen und Impact

Überblick über seine meistzitierten Publikationen

Kimble’s wissenschaftlicher Einfluss lässt sich nicht nur an Auszeichnungen, sondern auch an Zitationsmetriken eindrucksvoll belegen. Zu seinen am häufigsten zitierten Arbeiten zählen:

  • Photon antibunching in resonance fluorescence“ (1977, PRL) – der erste experimentelle Nachweis der Einzelphoton-Eigenschaft des Lichts.
  • Reversible State Transfer between Light and a Single Trapped Atom“ (2007, PRL) – ein Schlüsselexperiment zur Licht-Materie-Verschränkung.
  • The quantum internet“ (2008, Nature) – eine Vision, die zur Blaupause für globale Quantenkommunikationsnetzwerke wurde.

Diese Publikationen haben jeweils mehrere tausend Zitationen erreicht und gelten als Klassiker der modernen Quantenoptik.

H-Index und wissenschaftliche Reichweite

Nach gängigen Datenbanken wie Google Scholar oder INSPIRE-HEP liegt Kimble’s H-Index im Bereich von 80 bis 90 – ein außerordentlich hoher Wert für einen experimentellen Physiker. Dieser Index bedeutet, dass er mindestens 80 Publikationen verfasst hat, die jeweils mindestens 80-mal zitiert wurden – ein Maß für langfristige Relevanz und Breitenwirkung seiner Forschung.

Seine Arbeiten werden gleichermaßen in theoretischen, experimentellen und ingenieurtechnischen Kontexten zitiert – ein Zeichen dafür, dass seine Konzepte über Fachgrenzen hinaus Einfluss nehmen. Insbesondere im Bereich der Quantenkommunikation, der photonischen Halbleitertechnologie und der Quantenkontrolltheorie sind seine Methoden bis heute prägend.

Vergleich mit anderen Größen der Quantenoptik

Kimble im Kontext mit Haroche, Wineland, Cirac, Zoller

Im globalen Panorama der Quantenoptik zählt Kimble zu den wenigen Wissenschaftlern, deren Arbeiten gleichzeitig Pioniercharakter und Systemrelevanz besitzen. Ein Vergleich mit anderen Ikonen der Quantenphysik verdeutlicht seine Stellung:

  • Serge Haroche (Nobelpreis 2012) untersuchte CQED im Mikrowellenbereich mit Rydberg-Atomen – Kimble hingegen verfolgte eine optische Architektur mit realweltlicher Anschlussfähigkeit an photonische Technologien.
  • David Wineland (Nobelpreis 2012) erforschte ionenbasierte Quantenkontrolle – Kimble’s Arbeiten an neutralen Atomen und Photonen lieferten komplementäre Ergebnisse für netzwerkbasierte Architekturen.
  • Ignacio Cirac und Peter Zoller entwickelten die Theorien für Quantenkommunikationsnetzwerke – Kimble implementierte sie experimentell und validierte viele ihrer zentralen Konzepte.

Während Haroche und Wineland für ihre Grundlagenforschung ausgezeichnet wurden, war Kimble jener, der Systemintegration, Architekturdesign und photonische Schnittstellen mit einem kompromisslos experimentellen Ansatz kombinierte. Damit stellte er sicher, dass theoretische Visionen nicht im Konzept verharren, sondern in technologische Realität überführt werden können.

Die Zukunft der Quantenkommunikation im Licht von Kimble’s Vermächtnis

Umsetzung seiner Visionen im 21. Jahrhundert

Fortschritte in Quantenkommunikation und -netzwerken

Seit der Veröffentlichung von „The Quantum Internet“ im Jahr 2008 hat sich die Welt der Quantenkommunikation von einer konzeptionellen Idee zu einer strategisch priorisierten Hochtechnologie gewandelt. Internationale Forschungsinitiativen – wie das EU Quantum Flagship, das US-amerikanische National Quantum Initiative oder das chinesische QUESS-Programm – zeigen, wie konkret die Visionen Kimble’s mittlerweile in politische und wirtschaftliche Agenden eingeflossen sind.

Technologisch ist insbesondere bei den folgenden Punkten ein deutlicher Fortschritt erkennbar:

  • Funktionale Quantenrepeater basierend auf atomaren Ensembles, Quantenpunkten oder supraleitenden Systemen,
  • Kohärente Licht-Materie-Schnittstellen, die Photonen kontrolliert in stationäre Qubits übertragen und umgekehrt,
  • Entwicklung von Quantenrouter-Architekturen, in denen photonische Wege quantenzustandsabhängig umgeschaltet werden können.

Diese Entwicklungen greifen direkt auf Methoden zurück, die Kimble in seinen CQED-Experimenten erstmals operationalisiert hatte – etwa kontrollierte Emission einzelner Photonen, photonisch kodierte Zustände, Rückkopplungsschleifen und photonisch getriggerte Speichermechanismen.

Start-ups, Universitätsnetzwerke, Quanteninternetanwendungen

Parallel zur akademischen Forschung sind in den letzten Jahren zahlreiche Deep-Tech-Start-ups entstanden, die explizit auf Kimble’s Konzepten basieren. Unternehmen wie PsiQuantum, Aliro Quantum, QphoX oder QuTech arbeiten an skalierbaren photonischen Quantenarchitekturen, verteilten Netzwerken oder modularen Quantensystemen. Ihre Roadmaps enthalten fast durchgängig Technologien, deren prototypische Grundlagen auf Kimble’s Experimenten beruhen.

Auch Universitätsnetzwerke entwickeln eigenständige Quantennetzwerke – z. B. das Chicago Quantum Exchange, das Quantum Network Testbed (QNET) oder das Quantum Internet Alliance (QIA) in Europa. Hier werden Testfelder aufgebaut, in denen atomare, photonische und hybride Knoten über Distanzen von mehreren Kilometern hinweg verschränkt kommunizieren – eine direkte Umsetzung von Kimble’s ursprünglicher Idee des modularen Quanteninternets.

Ein weiteres wachsendes Anwendungsfeld ist die Entwicklung von quantensicheren Kommunikationsprotokollen, bei denen klassische IT-Infrastruktur mit quantenphysikalischen Verfahren gekoppelt wird. Hier liefern photonische Qubits – wie sie Kimble erzeugt und kontrolliert hat – die notwendige Grundlage für abhörsichere Schlüsselverteilung (QKD) oder verifikationsfähige Zustandsübertragung.

Die nächste Generation von Forscher*innen

Kimble’s Einfluss auf junge Physiker*innen

Ein wesentliches Element von Kimble’s Vermächtnis ist sein Einfluss auf die nächste Generation von Forscherinnen und Forschern. Viele seiner ehemaligen Doktorand*innen und Postdocs leiten heute eigene Forschungsgruppen an internationalen Spitzenuniversitäten – darunter Hideo Mabuchi (Stanford), Andrew Doherty (University of Sydney), Axel Kuhn (Oxford) und Tracy Northup (Innsbruck).

Diese Wissenschaftler*innen verfolgen nicht nur Kimble’s Ansätze weiter, sondern transformieren sie auch – etwa durch die Integration neuer Plattformen wie Halbleiterresonatoren, Ionenfallen oder topologischer Zustände. Sie alle verbindet ein Stil wissenschaftlichen Arbeitens, der auf Kimble’s Philosophie zurückgeht:

  • Tiefe physikalische Intuition, gepaart mit analytischer Strenge,
  • Experimentelle Redlichkeit bei der Interpretation von Messergebnissen,
  • Systemarchitektonisches Denken über Einzelphänomene hinaus.

Rolle seiner Methodik und Denkweise in modernen Experimenten

Kimble’s Methodik – insbesondere die Kombination aus kontrollierter Quantendynamik, optischer Präzision und systematischer Fehlertoleranz – bildet heute das Rückgrat vieler experimenteller Plattformen. Seine Denkweise, experimentelle Systeme als architektonische Module zu betrachten, hat den Weg geebnet für:

  • Modulare Quantencomputer mit photonischer Vernetzung,
  • Verteilte Quantensimulationen, bei denen einzelne Module verschiedene Aspekte eines Modells abbilden,
  • Hybridarchitekturen, die z. B. supraleitende Qubits mit photonischen Repeatern kombinieren.

Die entscheidende Frage, wie sich Kohärenz, Skalierbarkeit und Fehlertoleranz in einem realen quantenphysikalischen System miteinander vereinbaren lassen, wurde in Kimble’s Labor nicht nur diskutiert – sie wurde dort zum ersten Mal experimentell beantwortet.

Fazit

Zusammenfassung der wissenschaftlichen Karriere

Harry Jeff Kimble hat die Landschaft der modernen Quantenoptik und Quanteninformation wie kaum ein anderer Wissenschaftler geprägt. Von seinen frühen Arbeiten zur Photon-Antibunching über bahnbrechende CQED-Experimente bis hin zur systemischen Vision eines globalen Quantum Internets reicht ein Werk, das sich durch Präzision, Tiefe und Innovationskraft auszeichnet. Bereits in den 1970er-Jahren gelang ihm ein experimenteller Durchbruch, der den Teilchencharakter des Lichts zweifelsfrei belegte. In den folgenden Jahrzehnten erschloss er mit höchster technischer Raffinesse neue Quantendynamiken – oft als Erster weltweit.

An der Schnittstelle von Atom, Licht und Information wurde Kimble zum Pionier, dessen Labor am Caltech über viele Jahre hinweg internationale Maßstäbe setzte. Mit analytischer Klarheit und experimenteller Meisterschaft entwickelte er Plattformen, auf denen erstmals kontrollierte Wechselwirkungen zwischen einzelnen Quantenobjekten realisiert werden konnten – die Grundlage heutiger Qubit-Systeme, photonischer Schaltkreise und Quantenrouter.

Nachhaltige Beiträge zur Quantentechnologie

Kimble’s Einfluss ist nicht an temporäre Moden oder Technologien gebunden, sondern strukturell: Seine Konzepte sind heute in nahezu jedem Bereich der Quantentechnologie wirksam – ob in Quantenkommunikation, Quanteninformationsverarbeitung, Quantensimulation oder Grundlagenphysik. Insbesondere die Entwicklung von:

  • Einzelphotonenquellen,
  • Kohärenten Atom-Photon-Schnittstellen,
  • Quantenrepeatern und
  • Netzwerkarchitekturen für Quantenkommunikation

geht direkt auf seine Experimente und konzeptionellen Arbeiten zurück.

Darüber hinaus hinterlässt er ein wissenschaftliches Erbe in Form zahlreicher Publikationen, Labormethoden, didaktischer Programme und strategischer Weichenstellungen. Seine Beiträge haben nicht nur experimentelle Standards gesetzt, sondern auch die Zukunft der Quantentechnologie über Generationen hinweg vorbereitet.

Kimble als Brücke zwischen Theorie, Experiment und Vision

Was Kimble besonders auszeichnet, ist seine einzigartige Fähigkeit, zwischen Theorie und Praxis zu vermitteln – und darüber hinaus eine Vision zu formulieren, die beide Sphären übersteigt. Er war kein Theoretiker, der Ideen an Experimente delegierte, und kein Experimentator, der bloß Messwerte erzeugte. Vielmehr verband er:

  • theoretische Eleganz,
  • experimentelle Akribie und
  • technologischen Weitblick

zu einem kohärenten Ganzen. Als eine der wenigen Figuren in der Quantenwissenschaft gelang es ihm, Quantenphysik als Ingenieurswissenschaft zu denken – mit realen Materialien, realen Plattformen und realem gesellschaftlichem Impact.

Seine Karriere ist ein Beispiel dafür, wie visionäre Grundlagenforschung konkrete Technologien hervorbringen kann, ohne dabei an Tiefe oder methodischer Integrität zu verlieren. In der Ära wachsender Quantenindustrien bleibt Kimble ein wissenschaftliches Vorbild – nicht nur wegen seiner Erkenntnisse, sondern wegen seiner Haltung: präzise, visionär und integer.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg-Owe Schneppat


Literaturverzeichnis

Wissenschaftliche Zeitschriften und Artikel

  • Kimble, H. J., Dagenais, M., & Mandel, L. (1977).
    Photon antibunching in resonance fluorescence.
    Physical Review Letters, 39(11), 691–695.
    DOI: 10.1103/PhysRevLett.39.691
    – Erstbeobachtung des Photon-Antibunching-Effekts – ein Meilenstein der experimentellen Quantenoptik.
  • Miller, R., Northup, T. E., Birnbaum, K. M., Boca, A., Boozer, A. D., & Kimble, H. J. (2005).
    Trapped atoms in cavity QED: coupling quantized light and matter.
    Journal of Physics B: Atomic, Molecular and Optical Physics, 38(9), S551–S565.
    DOI: 10.1088/0953-4075/38/9/003
    – Übersicht über atomare Cavity-QED-Systeme in Kimble’s Labor mit Fokus auf kontrollierter Kopplung.
  • Boozer, A. D., Boca, A., Miller, R., Northup, T. E., & Kimble, H. J. (2007).
    Reversible State Transfer between Light and a Single Trapped Atom.
    Physical Review Letters, 98(19), 193601.
    DOI: 10.1103/PhysRevLett.98.193601
    – Demonstration eines Quanten-Speichers durch kontrollierten Zustandsaustausch zwischen Photon und Atom.
  • Cirac, J. I., Kimble, H. J., & Zoller, P. (2008).
    The quantum internet.
    Nature, 453(7198), 1023–1030.
    DOI: 10.1038/nature07127
    – Theoretisch-experimentelles Manifest für ein globales Quantennetzwerk. Von Kimble gemeinsam mit Cirac und Zoller publiziert.
  • Birnbaum, K. M., Boca, A., Miller, R., Boozer, A. D., Northup, T. E., & Kimble, H. J. (2005).
    Photon blockade in an optical cavity with one trapped atom.
    Nature, 436(7047), 87–90.
    DOI: 10.1038/nature03804
    – Experimenteller Nachweis der Photonblockade, ein nichtklassisches Quanteneffekt im Lichtfeld.
  • Mabuchi, H., & Kimble, H. J. (2002).
    Quantum information processing and communication with atoms and photons.
    Physics Today, 55(10), 47–53.
    DOI: 10.1063/1.1522935
    – Übersicht über photonische Qubits und CQED für Informationsverarbeitung, geschrieben für ein breites Fachpublikum.
  • Kimble, H. J. (1998).
    Strong Interactions of Single Atoms and Photons in Cavity QED.
    Physica Scripta, T76, 127–137.
    DOI: 10.1238/Physica.Topical.076a00127
    – Reflexion über die Entwicklungen in CQED und ihre zukünftigen Anwendungen.
  • Rempe, G., Thompson, R. J., Kimble, H. J., & Lalezari, R. (1992).
    Measurement of ultralow losses in an optical interferometer.
    Optics Letters, 17(5), 363–365.
    DOI: 10.1364/OL.17.000363
    – Entwicklung hocheffizienter Spiegel für Hoch-Q-Cavity-Resonatoren.

Bücher und Monographien

  • Haroche, S., & Raimond, J.-M. (2006).
    Exploring the Quantum: Atoms, Cavities, and Photons.
    Oxford University Press.
    ISBN: 978-0-19-850914-1
    – Umfassendes Werk zur Cavity-QED. Kimble’s Experimente werden als direkte Parallelbeispiele zu Haroche’s Arbeit diskutiert.
  • Scully, M. O., & Zubairy, M. S. (1997).
    Quantum Optics.
    Cambridge University Press.
    ISBN: 978-0-521-43595-6
    – Standardwerk mit ausführlicher Behandlung des Jaynes-Cummings-Modells, auf dem viele von Kimble’s Experimenten basieren.
  • Walls, D. F., & Milburn, G. J. (2008).
    Quantum Optics (2nd ed.).
    Springer.
    ISBN: 978-3-540-28574-7
    – Enthält fundierte Diskussionen zu Photonstatistiken, Blockadeeffekten und offenen Quantensystemen.
  • Zoller, P., Cirac, J. I., et al. (2005).
    Quantum Information Processing and Communication – Strategic Report on Current Status, Visions and Goals.
    European Commission Report (QIST).
    – Enthält Referenzen zu Kimble’s Arbeiten und Visionen für Quantennetzwerke.
  • Gerry, C., & Knight, P. (2005).
    Introductory Quantum Optics.
    Cambridge University Press.
    ISBN: 978-0-521-85380-4
    – Einführendes Werk mit Bezügen zu Antibunching, Photonblockade und Quantensprüngen nach Kimble’s Methode.

Online-Ressourcen und Datenbanken