Ein Magnon ist ein quantisiertes kollektives Anregungsphänomen, das in magnetisch geordneten Festkörpern auftritt. Genauer gesagt handelt es sich um eine quantisierte Spinwelle – also eine wellenartige kollektive Präzession der Spins in einem Gitter aus magnetisch wechselwirkenden Teilchen. In der Sprache der Quantenfeldtheorie ist der Magnon ein bosonisches Quasiteilchen mit Spin 1.

Der Begriff „Magnon“ leitet sich vom lateinischen „magnes“ (Magnet) und der Endung „-on“ ab, die für Teilchen oder Quasiteilchen steht – analog zu Begriffen wie Elektron, Phonon oder Plasmon. Magnonen entstehen aus kollektiven Störungen der Spinordnung in einem Ferromagneten oder Antiferromagneten. In quantisierter Form stellen sie diskrete Energiepakete dar, die mit den Spinwellen assoziiert sind.

Historische Entdeckung des Magnons (Felix Bloch, 1930)

Das Konzept der Spinwellen wurde erstmals 1930 von Felix Bloch eingeführt, einem der bedeutendsten Pioniere der Festkörperphysik. In seinem berühmten Beitrag zur Theorie des Ferromagnetismus schlug Bloch vor, dass die thermische Abnahme der Magnetisierung in einem Ferromagneten auf die Anregung von Spinwellen zurückzuführen sei – kollektive Schwingungen der Spins vom Grundzustand abweichend.

Diese thermischen Anregungen führen dazu, dass die Magnetisierung mit zunehmender Temperatur abnimmt, ein Effekt, der als Bloch’sches T³/²-Gesetz bekannt wurde:

M(T) \approx M(0)\left(1 - \alpha T^{3/2}\right)

Dabei ist M(T) die Magnetisierung bei Temperatur T und \alpha eine materialspezifische Konstante.

Später wurde erkannt, dass diese Spinwellen quantisiert werden können – und die zugehörigen Quasiteilchen wurden als „Magnonen“ bezeichnet. Dies war ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Quantenfeldtheorie kondensierter Materie.

Einordnung in die Quantenphysik und Festkörperphysik

In der Quantenphysik sind Quasiteilchen elementare Konzepte zur Beschreibung kollektiver Anregungen in Vielteilchensystemen. Der Magnon ist ein Paradebeispiel eines solchen Quasiteilchens: Er ist kein fundamentales Teilchen wie Elektronen oder Quarks, sondern ein emergentes Phänomen, das sich aus der kollektiven Dynamik vieler Spins ergibt.

In der Festkörperphysik dienen Magnonen zur Beschreibung des Energie- und Impulstransfers in magnetischen Materialien. Da sie bosonischer Natur sind, können viele Magnonen denselben Zustand einnehmen – eine Eigenschaft, die später in der Magnon-Bose-Einstein-Kondensation eine zentrale Rolle spielt.

Kollektive Anregung im Spin-System

Ferromagnetische und antiferromagnetische Materialien

In einem ferromagnetischen Material sind die Spins der Elektronen im Grundzustand parallel ausgerichtet. Wird das System gestört – beispielsweise durch thermische Energie oder äußere Magnetfelder – beginnen die Spins zu präzedieren. Diese kollektiven Präzessionen propagieren sich durch das Material in Form von Wellen – den sogenannten Spinwellen.

In Antiferromagneten hingegen sind benachbarte Spins antiparallel ausgerichtet. Auch hier können kollektive Anregungen auftreten, jedoch sind deren Eigenschaften deutlich komplexer, da sie aus zwei entgegengesetzten Subgittern bestehen. Die daraus entstehenden Magnonen weisen oft zwei Zweige (optisch und akustisch) in ihrer Dispersionsrelation auf.

Spinkorrelationen und kollektive Quasiteilchen

Spinkorrelationen beschreiben, wie der Spin eines Teilchens mit seinen Nachbarn wechselwirkt. In quantenmechanisch stark korrelierten Systemen können diese Korrelationen nicht mehr auf einfache Weise lokal beschrieben werden. Stattdessen führt die Gesamtheit der Wechselwirkungen zu kollektiven Anregungen, deren Beschreibung durch effektive Quasiteilchen erfolgt.

Der Magnon ist ein solches kollektives Quasiteilchen. Er entspricht einer „Spin-Flip“-Anregung, bei der der Spin eines Elektrons umkehrt und diese Umkehrung sich als Welle im Gitter ausbreitet. In zweiter Quantisierung wird die Magnonenanregung oft durch Bosonen-Operatoren beschrieben:

S_i^+ \rightarrow a_i^\dagger,\quad S_i^- \rightarrow a_i

Hier steht a_i^\dagger für den Erzeugungsoperator eines Magnons am Gitterplatz i, und S_i^\pm sind die Spinsteigerungs- und -senkungsoperatoren.

Warum sind Magnonen quantentechnologisch relevant?

Verbindung zur Quanteninformation und Quantenkommunikation

Magnonen haben in den letzten Jahren zunehmende Aufmerksamkeit in der Quanteninformationstechnologie erhalten. Da sie kohärente kollektive Anregungen darstellen, können sie als Träger von quantenmechanischer Information dienen. Insbesondere ermöglichen sie den verlustarmen Transport von Information über mikroskopische bis makroskopische Distanzen hinweg – deutlich effizienter als elektronische Ladungsträger.

In hybriden Quantensystemen können Magnonen mit supraleitenden Qubits, Mikrowellenphotonen und mechanischen Resonatoren gekoppelt werden. Dadurch entstehen neuartige Schnittstellen zwischen verschiedenen Quantenplattformen – eine zentrale Voraussetzung für skalierbare Quantencomputer und Quantenkommunikationsnetzwerke.

Ein zukunftsträchtiges Gebiet ist die Cavity Magnonics, bei der Magnonen in einem magnetischen Material kohärent mit den Moden einer Mikrowellenresonator-Kavität wechselwirken. Diese Kopplung kann zur gezielten Steuerung und Detektion einzelner Magnonen genutzt werden.

Vergleich mit anderen Quasiteilchen (Phononen, Plasmonen, Polaronen)

Magnonen gehören zu einer ganzen Klasse kollektiver Quasiteilchen, die in der Festkörperphysik auftreten. Im Vergleich zu anderen wichtigen Quasiteilchen bieten sie besondere Vorteile:

  • Phononen sind quantisierte Gitterschwingungen. Sie sind elektrisch neutral und transportieren Wärme, aber keine Spininformation.
  • Plasmonen sind kollektive Schwingungen der Elektronendichte in Metallen. Sie koppeln stark an Licht, aber nicht an Spins.
  • Polaronen entstehen durch die Kopplung von Elektronen an Phononen. Sie beeinflussen die effektive Masse von Ladungsträgern.

Magnonen hingegen ermöglichen gezielten Zugriff auf die magnetische Ordnung eines Materials. Ihre Fähigkeit, Informationen im Spin-Freiheitsgrad zu speichern und über größere Distanzen kohärent zu übertragen, macht sie einzigartig für Anwendungen in der Spintronik, Magnonik und Quantenkommunikation.

Theoretische Grundlagen

Der Spin und seine quantenmechanische Natur

Spin als intrinsische Eigenschaft

Der Spin ist eine fundamentale quantenmechanische Eigenschaft von Elementarteilchen, die nicht mit klassischer Rotation vergleichbar ist. Es handelt sich dabei um ein intrinsisches Drehimpulsmoment, das jedem Teilchen zugeordnet ist. Elektronen besitzen beispielsweise einen Spin von s = \frac{1}{2}, was bedeutet, dass sie nur zwei mögliche Zustände einnehmen können: „Spin up“ (+\frac{1}{2}) und „Spin down“ (-\frac{1}{2}).

In festen Körpern, insbesondere in magnetisch geordneten Materialien wie Ferromagneten oder Antiferromagneten, spielt der Elektronenspin eine zentrale Rolle bei der Ausbildung kollektiver magnetischer Zustände. Die quantenmechanische Kopplung der Spins untereinander führt zu komplexen kollektiven Effekten, wie der Bildung von Spinwellen.

Spinwellen und deren quantisierte Version: der Magnon

Wenn die Spins in einem geordneten Magneten (z. B. Ferromagnet) vom Gleichgewicht abweichen, kann sich diese Störung wellenartig durch das Material ausbreiten. Diese kollektiven, kohärenten Schwingungen der Spins werden als Spinwellen bezeichnet.

Die Quantisierung dieser Spinwellen führt zum Konzept des Magnons. Der Magnon ist damit das Quasiteilchen, das einer einzelnen Anregung einer Spinwelle entspricht – also die kleinste Energieeinheit, mit der die Spinordnung gestört wird.

In der quantenmechanischen Darstellung werden Spinwellen durch Bosonenoperatoren beschrieben. Ein einzelner Magnon kann als eine kollektive Spin-Flip-Anregung modelliert werden, bei der ein lokaler Spin umgekehrt wird und diese Störung durch das System propagiert.

Spinwellenmodell (Heisenberg-Modell)

Heisenberg-Hamiltonian

Das Verhalten von Spins in einem Gitter lässt sich mit dem Heisenberg-Modell beschreiben. Der sogenannte Heisenberg-Hamiltonian lautet für ein System aus Spins:

H = - \sum_{\langle i,j \rangle} J_{ij} , \mathbf{S}_i \cdot \mathbf{S}_j

Hierbei ist:

  • \mathbf{S}_i der Spinoperator am Gitterplatz i,
  • J_{ij} die Austauschwechselwirkung zwischen benachbarten Spins i und j,
  • Die Summe läuft über alle Paare benachbarter Gitterplätze \langle i,j \rangle.

Ein positives J_{ij} > 0 führt zu einer parallelen (ferromagnetischen) Ausrichtung der Spins, während J_{ij} < 0 eine antiparallele (antiferromagnetische) Ordnung begünstigt.

Austauschwechselwirkungen zwischen benachbarten Spins

Die physikalische Ursache der Austauschwechselwirkung ist quantenmechanischer Natur und basiert auf dem Pauli-Prinzip und der Coulomb-Abstoßung. Elektronen mit parallelem Spin dürfen sich nicht im gleichen Quantenzustand aufhalten, was zu einer effektiven Kopplung der Spins führt.

Diese Wechselwirkungen führen dazu, dass eine lokale Störung – etwa ein einzelner Spin-Flip – nicht lokal bleibt, sondern sich in Form einer Welle (Spinwelle) ausbreitet. Der Hamiltonian lässt sich durch Transformationen (z. B. Holstein-Primakoff oder Dyson-Maleev) in eine bosonische Form überführen, die die Quantenbeschreibung der Magnonen erlaubt.

Dispersion und Energie-Momentum-Beziehung

Magnon-Dispersionsrelationen in 1D, 2D und 3D-Systemen

Die Dispersionsrelation beschreibt die Beziehung zwischen der Energie eines Magnons und seinem Wellenvektor k. Diese Relation hängt stark von der Geometrie und der Dimensionalität des Materials ab.

In einem einfachen eindimensionalen (1D) Ferromagneten ergibt sich in Näherung eine quadratische Dispersionsrelation:

\omega(k) = Dk^2

Dabei ist \omega(k) die Magnonenfrequenz (bzw. Energie, über E = \hbar \omega(k)) und D eine materialspezifische Spinsteifigkeit.

In zwei- und dreidimensionalen Systemen ist die Dispersionsrelation komplexer. Für kubische Gitter ergibt sich z. B.:

\omega(\mathbf{k}) = \gamma \mu_0 H + D|\mathbf{k}|^2

Hierbei ist:

  • \gamma das gyromagnetische Verhältnis,
  • \mu_0 H das externe Magnetfeld,
  • D wiederum eine materialspezifische Konstante.

Die Dispersionsrelation bestimmt unter anderem die Gruppengeschwindigkeit der Magnonen und beeinflusst damit maßgeblich ihre Fähigkeit zur Informationsübertragung in magnonischen Bauelementen.

Bosonische Natur des Magnons

Warum Magnonen als Bosonen behandelt werden

Obwohl Magnonen aus Spins bestehen, die ursprünglich Fermionen (Elektronen) sind, verhalten sich die kollektiven Anregungen wie Bosonen. Der Grund: Die quantisierten Spinwellen erfüllen bosonische Kommutationsrelationen. Das bedeutet, dass mehrere Magnonen denselben Quantenzustand einnehmen können – eine Eigenschaft, die für Fermionen ausgeschlossen ist.

In der quantenmechanischen Beschreibung erscheinen die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren für Magnonen als bosonische Operatoren:

[a_k, a_{k'}^\dagger] = \delta_{k,k'}

Diese Eigenschaft ist die Grundlage dafür, dass Magnonen sich wie Lichtquanten (Photonen) oder Gitterschwingungen (Phononen) verhalten, was ihre technische Nutzbarkeit in Quantenanwendungen begünstigt.

Konsequenzen für Bose-Einstein-Kondensation von Magnonen

Da Magnonen Bosonen sind, unterliegen sie dem Bose-Einstein-Statistik. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass viele Magnonen bei geeigneten Bedingungen denselben Quantenzustand besetzen – eine Bose-Einstein-Kondensation (BEC).

Im Gegensatz zu atomaren Bose-Gasen muss das System nicht zwingend extrem nahe am absoluten Nullpunkt liegen. Vielmehr kann die Kondensation durch externe Pumpmechanismen erreicht werden, welche die Magnonenpopulation erhöhen, bis die chemische Potenzialgrenze erreicht wird.

Die experimentelle Beobachtung von Magnon-BEC wurde erstmals 2006 in Yttrium-Eisen-Granat (YIG) realisiert. Seitdem gilt dieses Phänomen als vielversprechend für die Entwicklung neuartiger Quantenlichtquellen und kohärenter Spinwellenlaser – auch Spin-Wellen-Laser oder Magnon-Laser genannt.

Magnonen in verschiedenen Materialien

Ferromagnete und Antiferromagnete

Unterschiede in der Magnonendynamik

Ferromagnete und Antiferromagnete unterscheiden sich fundamental in ihrer magnetischen Ordnung – und entsprechend auch in der Dynamik ihrer Magnonen.

In Ferromagneten sind alle Spins im Grundzustand parallel ausgerichtet. Eine Störung (z. B. ein lokaler Spin-Flip) führt dazu, dass sich die Spins um die Gleichgewichtslage präzedieren. Die dabei entstehenden Spinwellen – und somit auch die Magnonen – haben typischerweise eine einfache, kontinuierliche Dispersionsrelation mit nur einem Zweig.

In Antiferromagneten hingegen sind benachbarte Spins antiparallel. Das führt zu einer komplexeren Dynamik, da zwei Subgitter mit entgegengesetzten Spins existieren. Magnonen in Antiferromagneten besitzen daher zwei Zweige in ihrer Dispersionsrelation:

  • Einen akustischen Zweig, der bei k = 0 verschwindet,
  • Einen optischen Zweig, der bei k = 0 eine endliche Energie aufweist.

Diese Zweiteiligkeit führt zu einer reichhaltigeren Dynamik, einschließlich der Möglichkeit, dass verschiedene Magnonenarten miteinander koppeln oder interferieren.

Spinwellenlücken und Symmetriebetrachtungen

In realen Materialien können Symmetriebrechungen – etwa durch Magnetokristalline Anisotropie oder Dzyaloshinskii-Moriya-Wechselwirkungen – zur Ausbildung von Spinwellenlücken führen. Das bedeutet, dass Magnonen eine minimale Energie benötigen, um angeregt zu werden, selbst bei k = 0.

Ein einfaches Modell für eine solche Lücke \Delta in der Dispersionsrelation lautet:

\omega(k) = \Delta + Dk^2

Diese Lücken beeinflussen nicht nur die thermische Anregung von Magnonen, sondern auch ihre Eignung für quantentechnologische Anwendungen, da sie kohärente Magnonenzustände energetisch stabilisieren können.

Symmetriebetrachtungen sind entscheidend für das Verständnis dieser Lücken. In hochsymmetrischen Materialien (z. B. isotrope Ferromagnete) kann die Spinwellenlücke verschwinden, während sie in anisotropen oder chiralen Materialien deutlich ausgeprägt sein kann.

Ferrimagnetische Systeme und Multiferroika

Nicht-lineare Magnoninteraktionen

Ferrimagnete sind Materialien, bei denen die magnetischen Momente benachbarter Spins zwar entgegengesetzt, aber unterschiedlich stark sind. Dadurch bleibt ein Netto-Magnetmoment erhalten. Die komplexe Struktur solcher Systeme führt zu nicht-linearen Wechselwirkungen zwischen Magnonen.

Diese nicht-linearen Magnoninteraktionen erlauben Effekte wie:

  • Magnon-Umwandlungen (z. B. Zwei-Magnonen-Streuung),
  • Parametrische Verstärkung von Spinwellen,
  • Magnonen-Spinwellen-Kaskaden und Frequenzkonversion.

Diese Nichtlinearitäten eröffnen neue Möglichkeiten zur Manipulation von Magnonen mit äußerem Stimulus (z. B. Mikrowellen, THz-Strahlung) und sind für die Entwicklung neuartiger nichtlinearer Quantenschaltkreise von großer Bedeutung.

Kopplung von elektrischen und magnetischen Ordnungsparametern

Multiferroika sind Materialien, in denen elektrische und magnetische Ordnung gleichzeitig vorkommen und miteinander gekoppelt sind. Solche Materialien ermöglichen es, Magnonen durch elektrische Felder zu kontrollieren – eine zentrale Eigenschaft für zukünftige Quantenlogikgatter und Spin-basierte Speicher.

In Multiferroika können elektrische Felder:

  • die Frequenz von Magnonen verschieben,
  • die Kopplung zwischen verschiedenen Magnonmoden verstärken oder unterdrücken,
  • neuartige hybride Anregungen erzeugen (z. B. Elektromagnonen).

Diese Feldersteuerung ist besonders interessant für skalierbare Quantentechnologien, bei denen Magnetfelder schwer miniaturisierbar oder störanfällig sind.

Dünnschichtsysteme und Nanostrukturen

Magnonen in 2D-Materialien und Quantenpunkten

Mit der zunehmenden Miniaturisierung der Technologie rücken zwei- und eindimensionale Magnonensysteme in den Fokus. In zweidimensionalen Materialien wie monolagigem CrI₃ oder Cr₂Ge₂Te₆ konnten kürzlich stabile magnetische Ordnungen und damit verbundene Magnonen nachgewiesen werden.

Diese Systeme erlauben:

  • ultradünne, magnonsensitive Quantensensoren,
  • Integration in atomar dünne Schaltkreise,
  • Erzeugung topologischer Magnonenmoden mit nicht-trivialer Bandstruktur.

In Quantenpunkten – also nanoskaligen magnetischen Inseln – sind die Magnonenmoden vollständig diskretisiert. Die resultierende Spektralisierung der Anregungen erlaubt präzise Kontrolle einzelner Magnonen – ein wichtiger Schritt in Richtung „Magnon-on-demand“-Quellen.

Quantisierung durch geometrische Einschränkungen

Die Miniaturisierung auf nanoskalige Strukturen führt zur räumlichen Einschränkung der Magnonen. Diese Einschränkung bewirkt eine Quantisierung der möglichen Spinwellenmoden, ähnlich wie stehende Wellen auf einer Gitarrensaite.

In rechteckigen Dünnfilmstreifen ergibt sich eine Modenstruktur der Form:

k_n = \frac{n\pi}{L}, \quad n = 1, 2, 3, \dots

Die resultierenden Moden besitzen quantisierte Energien:

\omega_n = \omega_0 + D \left( \frac{n\pi}{L} \right)^2

Diese Quantisierung macht die Magnonenmoden manipulierbar, kontrollierbar und identifizierbar – ideal für Quanteninformationsanwendungen, bei denen kohärente Steuerung entscheidend ist.

Experimente und Nachweismethoden

Brillouin-Lichtstreuung (BLS)

Prinzip und Anwendung zur Detektion von Spinwellen

Die Brillouin-Lichtstreuung (BLS) ist eine hochpräzise spektroskopische Methode zur Untersuchung niederenergetischer Anregungen wie Phononen und Magnonen. Bei BLS wird monochromatisches Laserlicht auf ein Material gerichtet, in dem Spinwellen angeregt sind. Ein Teil des Lichts wird durch inelastische Streuung an diesen Anregungen frequenzverschoben zurückgestreut.

Die gestreuten Photonen erfahren eine Energieänderung, die direkt der Energie des gestreuten Magnons entspricht:

\Delta E = \hbar \omega_\text{Magnon}

Dabei ist \omega_\text{Magnon} die Frequenz der Spinwelle. Durch die Messung dieser Frequenzverschiebung lässt sich die Magnonendynamik exakt bestimmen.

Vorteile der BLS:
  • Berührungslose Messung
  • Hohe Frequenzauflösung (GHz-Bereich)
  • Räumlich und zeitlich auflösbar
  • Detektion einzelner Moden und Dispersionsrelationen

Die Methode ist insbesondere für dünne Schichten und Nanostrukturen geeignet, da sie bereits mit sehr schwachen Magnonendichten arbeiten kann.

Neutronenstreuung

Wie Neutronen Magnonen sichtbar machen

Die inelastische Neutronenstreuung ist eine zentrale Methode zur Untersuchung von Magnonen in Festkörpern. Neutronen sind elektrisch neutral, tragen jedoch ein magnetisches Moment – dadurch können sie mit den Spins in einem Material wechselwirken.

Wenn ein Neutron mit einem Elektronenspin wechselwirkt, kann es dabei Energie und Impuls übertragen. Diese Wechselwirkung erlaubt die Anregung oder Absorption eines Magnons, was sich in der Energieänderung des gestreuten Neutrons zeigt.

Der Energie- und Impulserhaltungssatz lautet dabei:

\hbar \omega = E_i - E_f,\quad \hbar \mathbf{q} = \mathbf{k}_i - \mathbf{k}_f

Hierbei sind E_i, E_f die Anfangs- und Endenergie des Neutrons, \mathbf{k}_i, \mathbf{k}_f dessen Wellenvektoren.

Stärken der Neutronenstreuung:
  • Zugang zur vollständigen Dispersionsrelation \omega(\mathbf{q})
  • Hohe Durchdringungstiefe – ideal für Volumenproben
  • Besonders geeignet für Antiferromagnete und komplexe Spingitter

Da diese Methode jedoch große experimentelle Aufbauten und Neutronenquellen erfordert, bleibt sie meist Großforschungsanlagen (z. B. ILL, PSI, SNS) vorbehalten.

Ferromagnetische Resonanz (FMR)

Untersuchung der kollektiven Spinpräzession

Die ferromagnetische Resonanz (FMR) ist ein klassisches Werkzeug zur Charakterisierung von Ferromagneten. Hierbei wird ein externes statisches Magnetfeld angelegt und zusätzlich ein hochfrequentes Wechselfeld eingestrahlt, das eine kollektive Präzession der Spins anregt.

Wenn die Frequenz des Wechselfelds mit der Eigenfrequenz der Spinpräzession übereinstimmt, tritt Resonanz auf – der Magnon wird effizient angeregt. Diese Resonanzbedingung lautet:

\omega = \gamma \mu_0 H_\text{eff}

wobei:

  • \omega die Kreisfrequenz des Anregungsfeldes ist,
  • \gamma das gyromagnetische Verhältnis,
  • H_\text{eff} das effektive Magnetfeld.
Besonderheiten der FMR:
  • Bestimmung von Dämpfungsparametern und Relaxationszeiten
  • Zugang zur kollektiven Magnonendynamik
  • Anwendung auch in Dünnfilmen und hybriden Strukturen

In modernen Varianten wie vector-network-analyzer-FMR (VNA-FMR) oder time-resolved FMR (TR-FMR) können dynamische Effekte zeitaufgelöst und spektral charakterisiert werden.

Pump-Probe-Techniken & THz-Spektroskopie

Dynamik ultrakurzer Magnonprozesse

Für die Untersuchung ultraschneller Magnonprozesse im Subpikosekundenbereich kommen optische Pump-Probe-Techniken zum Einsatz. Dabei wird das System mit einem intensiven Laserpuls (Pump) angeregt, wodurch Magnonen erzeugt oder manipuliert werden. Ein zweiter, zeitlich verzögerter Laserpuls (Probe) misst die zeitliche Entwicklung des Systems.

Mit dieser Methode lassen sich:

  • Magnon-Relaxationszeiten und -Dämpfungen messen,
  • nichtlineare Dynamiken auflösen,
  • kohärente Magnonenmanipulationen untersuchen.

THz-Spektroskopie ergänzt diese Technik im Frequenzraum. Da Magnonenfrequenzen typischerweise im GHz- bis THz-Bereich liegen, bietet THz-Strahlung einen direkten Zugang zu den natürlichen Resonanzen von Spinwellen.

THz-Impulse können:

  • Magnonen kohärent erzeugen (ultrakurz),
  • mit externen Feldern kombiniert werden,
  • zur Entwicklung von Magnon-basierten Quantenschaltern dienen.

Diese Methoden sind besonders relevant für die Magnonenkohärenz, Nichtlinearitäten, und Magnon-Phonon-Hybridisierung in Quantentechnologien.

Magnonische Technologien und Anwendungen

Magnonik – Ein neues Paradigma

Was ist Magnonik?

Die Magnonik ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich mit der Nutzung von Spinwellen – und damit von Magnonen – zur Informationsverarbeitung und -übertragung beschäftigt. Im Gegensatz zur klassischen Elektronik, die auf den Fluss von Ladungsträgern (Elektronen) setzt, basiert die Magnonik auf der gezielten Manipulation magnetischer Anregungen.

Magnonen bieten dabei mehrere Vorteile:

  • Sie tragen Spin, aber keine elektrische Ladung, was Energieverluste durch Joule-Wärme vermeidet.
  • Sie können auf Nanometerskalen fokussiert und manipuliert werden.
  • Ihre Frequenz liegt im GHz- bis THz-Bereich, was Hochfrequenzanwendungen ermöglicht.

Die Magnonik steht damit an der Schwelle zu einer neuen Generation von logikfähigen, skalierbaren und verlustarmen Quanten- und Klassiktechnologien.

Vorteile gegenüber Elektronik (verlustfreie Informationsübertragung)

Die wohl wichtigste Eigenschaft von magnonischen Systemen ist der nahezu verlustfreie Transport von Information. Da keine elektrischen Ströme fließen, entstehen kaum Wärmeverluste. Dies erlaubt extrem energieeffiziente Systeme, bei denen magnetische Informationen über mikroskopische bis millimeterweite Distanzen ohne nennenswerte Dämpfung propagieren können.

Weitere Vorteile:

  • Miniaturisierung: Spinwellen haben kurze Wellenlängen im Nanometerbereich.
  • Parallelverarbeitung: Überlagerung und Interferenz ermöglichen logische Multiplex-Operationen.
  • Integration mit existierenden CMOS-Technologien: Hybride Chips aus Halbleitern und Magnonmaterialien sind bereits in Entwicklung.

Logikgatter und Spinwellenleiter

Magnon-basierte Logikoperationen

In der magnonischen Logik werden logische Zustände durch die Phase, Amplitude oder Frequenz einer Spinwelle codiert. Dies erlaubt die Realisierung klassischer Logikgatter (z. B. NOT, AND, XOR) mittels Interferenzprinzipien – ganz ohne bewegliche Ladungsträger.

Ein Beispiel: Zwei Spinwellen treffen an einem Punkt aufeinander. Je nach Phasendifferenz interferieren sie konstruktiv oder destruktiv. Die resultierende Intensität kann als logischer Ausgangszustand interpretiert werden.

Ein solches Gatter arbeitet nach dem Prinzip:

I_\text{aus}(x) = |A_1(x)e^{i\phi_1} + A_2(x)e^{i\phi_2}|^2

wobei A_i und \phi_i die Amplitude und Phase der jeweiligen Eingabewelle sind.

Spinwellenkristalle und Interferometer

Spinwellenkristalle sind periodische magnonische Strukturen, in denen die Ausbreitung von Magnonen durch Bandstrukturkontrolle manipuliert werden kann – ähnlich wie bei Photonen in Photonenkräften oder Elektronen in Halbleitern.

Diese künstlichen Gitter ermöglichen:

  • Frequenzfilterung (Magnonenbandlücken),
  • räumliche Leitung,
  • gerichtete Spinwellenführung.

In magnonischen Interferometern (z. B. Mach-Zehnder-Typ) wird der Phasengang zweier Spinwellenzweige verglichen. Solche Strukturen sind die Basis für zukünftige analoge Quantenlogikmodule und adaptive Signalverarbeitungseinheiten.

Magnonen in der Quanteninformationstechnologie

Magnonen als Qubits oder Vermittler von Quanteninformationen

Während Magnonen nicht direkt als stationäre Qubits dienen wie Elektronen oder supraleitende Transmonen, können sie als fliegende Qubits oder Vermittler zwischen festen Quantenobjekten agieren. Ihre Fähigkeit, Information kohärent und über kontrollierbare Pfade zu übertragen, ist entscheidend für skalierbare Quantensysteme.

Ein prototypischer Prozess ist die Spinwellenübertragung von Quantenzuständen zwischen zwei physikalisch getrennten Qubits – etwa in Form eines Zustandsvektors |\psi\rangle = \alpha |0\rangle + \beta |1\rangle, der durch einen Magnon übertragen wird.

Kopplung an supraleitende Qubits und Quantensensorik

In hybriden Quantenschaltungen lassen sich Magnonen mit supraleitenden Schaltkreisen koppeln. Dazu wird ein magnetisches Material (z. B. YIG-Kugel) in eine supraleitende Mikrowellenresonator-Kavität eingebracht. Die Kopplung erfolgt über das gemeinsame elektromagnetische Feld:

H = \hbar g (a^\dagger b + a b^\dagger)

mit:

  • a^\dagger, a = Photonen-Erzeugungs-/Vernichtungsoperatoren,
  • b^\dagger, b = Magnonen-Erzeugungs-/Vernichtungsoperatoren,
  • g = Kopplungsstärke.

Diese Konfiguration bildet die Grundlage für Cavity Magnonics und eröffnet neue Wege für ultraempfindliche Quantensensorik und Quantenzustandsübertragung über magnonische Kanäle.

Hybridisierung mit anderen Quantenobjekten

Kopplung von Magnonen mit Phononen, Photonen, Plasmonen

Die Integration von Magnonen in komplexe hybride Quantensysteme ist ein stark wachsendes Forschungsfeld. Hierbei werden Magnonen mit anderen Quasiteilchen oder Quantenobjekten gekoppelt, um neue Funktionalitäten zu erzeugen:

  • Magnon-Phonon-Kopplung: Ermöglicht mechanische Kontrolle magnetischer Anregungen. Anwendbar in Magnonakustik.
  • Magnon-Photon-Kopplung: Zentral für Licht-Magnon-Konversionen, z. B. in nichtlinearen optischen Prozessen oder Quantenschnittstellen.
  • Magnon-Plasmon-Kopplung: Erhöht die lokalisierte Feldstärke und verbessert Kopplungseffizienz in nanoskaligen Systemen.

Diese Kopplungen erlauben es, zwischen unterschiedlichen physikalischen Domänen zu „übersetzen“, was für modulare Quantentechnologien essenziell ist.

Cavity Magnonics und Quantenschnittstellen

Cavity Magnonics ist ein Forschungszweig, in dem Magnonen mit elektromagnetischen Kavitätsmoden hybridisiert werden. Dabei entsteht eine neue Quasipartikel-Art: das Magnon-Polaritron, ein Mischzustand aus Photon und Magnon.

Solche Systeme ermöglichen:

  • Verstärkung schwacher Quantensignale,
  • Entwicklung verlustfreier Busverbindungen in Quantencomputern,
  • Realisierung reziproker und nicht-reziproker Bauelemente (z. B. magnonische Isolatoren, Zirkulatoren).

Die gezielte Steuerung dieser Hybridanregungen macht Magnonen zu einem dynamischen Bindeglied zwischen klassischen und quantenmechanischen Informationsplattformen.

Magnon-Bose-Einstein-Kondensation (BEC)

Theoretische Grundlagen

Bedingungen für die Magnon-Kondensation

Die Bose-Einstein-Kondensation (BEC) ist ein quantenstatistisches Phänomen, bei dem eine makroskopische Anzahl bosonischer Teilchen denselben Quantenzustand einnimmt. Da Magnonen bosonische Quasiteilchen sind, können sie prinzipiell ebenfalls eine solche Kondensation durchlaufen – jedoch unter etwas anderen Bedingungen als bei atomaren Gasen.

Für eine Magnon-BEC muss das sogenannte chemische Potenzial \mu der Magnonen die niedrigste Eigenenergie E_0 des Systems erreichen:

\mu \rightarrow E_0

Da Magnonen nicht stabil sind und thermisch erzeugt oder vernichtet werden können, ist ihr chemisches Potenzial normalerweise negativ. Es lässt sich aber durch äußere Anregung (z. B. Mikrowellenpumpen) erhöhen. Wird genügend Energie eingekoppelt, entsteht eine hochdichte Magnonenpopulation, die sich schließlich in den energetisch niedrigsten Zustand „kondensiert“.

Eine typische Verteilungsfunktion für Magnonen lautet:

n(\omega) = \frac{1}{e^{(\hbar \omega - \mu)/k_BT} - 1}

Wenn \mu \rightarrow \hbar \omega_0, divergiert n(\omega), was den Beginn der Kondensation markiert.

Unterschied zur atomaren BEC

Im Gegensatz zur klassischen BEC in verdünnten atomaren Gasen (wie bei Rubidium oder Natrium), die extreme Kühlung auf Nanokelvin-Temperaturen erfordert, ist die Magnon-BEC eine nicht-gleichgewichtige Kondensation. Die thermische Energie wird hier nicht durch Kühlung reduziert, sondern durch gezielte Erzeugung der Teilchen kompensiert.

Wesentliche Unterschiede:

  • Keine Teilchenerhaltung bei Magnonen (nicht konserviert).
  • Nichtgleichgewichtszustand mit kontinuierlicher Pumpung.
  • Realisiert bei Raumtemperatur oder darüber.

Diese Abweichungen machen die Magnon-BEC besonders attraktiv für technische Anwendungen, da sie nicht die aufwändigen Kühltechnologien klassischer Quantenkondensate benötigt.

Experimentelle Realisierungen

Beobachtung in Yttrium-Eisen-Granat (YIG)

Die erste experimentelle Realisierung einer Magnon-BEC gelang im Jahr 2006 in einem Kristall aus Yttrium-Eisen-Granat (YIG) – einem ferrimagnetischen Material mit besonders geringer Dämpfung.

Die Methode bestand darin, das YIG mit gepulster Mikrowellenstrahlung bei GHz-Frequenzen zu pumpen. Dadurch wurde eine dichte Magnonenpopulation erzeugt. Mit Hilfe der Brillouin-Lichtstreuung konnte beobachtet werden, wie sich die Magnonen in den Grundzustand anhäuften – ein klarer Hinweis auf eine BEC.

Bemerkenswert war, dass diese Kondensation bei Raumtemperatur beobachtet wurde, was die Magnon-BEC sofort in das Zentrum des Interesses für praktische Anwendungen rückte.

Temperatur- und Feldabhängigkeit

Die Eigenschaften der Magnon-BEC hängen empfindlich von äußeren Parametern wie Temperatur und Magnetfeld ab:

  • Temperatur beeinflusst die Lebensdauer und Dichte der thermisch angeregten Magnonen.
  • Magnetfelder verschieben das energetische Minimum der Magnonendispersion, wodurch die Lage der Kondensation kontrolliert werden kann.

Insbesondere die Möglichkeit, das chemische Potenzial \mu gezielt durch Feld- oder Pumpmodulation zu beeinflussen, macht die Magnon-BEC zu einem vielseitig einstellbaren quantenphysikalischen Zustand.

Bedeutung für die Quantentechnologie

Nutzung von kohärenten Magnonen-Zuständen

Die BEC führt zu einem makroskopisch kohärenten Magnonenzustand, in dem alle Teilchen dieselbe Phase besitzen. Dies ist vergleichbar mit dem Zustand in einem Laser oder einem Superfluid und eröffnet neuartige Anwendungen im Bereich der kohärenten Quanteninformation:

  • Langzeitkohärenz: Kondensierte Magnonen zeigen geringere Dekohärenz.
  • Signalverstärkung: Durch den kohärenten Zustand können selbst schwache Eingangssignale verstärkt werden.
  • Quanteninterferometrie: Kohärente Magnonen lassen sich in Interferometrieanwendungen nutzen, z. B. für Magnon-basierte Mach-Zehnder- oder Ramsey-Experimente.

Magnonen-Laser (Spinwave-Laser)

Ein besonders spannendes Anwendungsfeld ist die Entwicklung eines Magnonen-Lasers, auch Spinwave-Laser genannt. Dabei wird die Spinwellenintensität durch kontinuierliche Pumpung so weit erhöht, dass kohärente Magnonen mit konstanter Phase emittiert werden – analog zur Lichtverstärkung im optischen Laser.

Merkmale eines Magnonen-Lasers:

  • Kohärente Emission von Spinwellen.
  • Stimulierter Emissionsprozess durch bereits vorhandene Magnonen.
  • Möglichkeit zur Modulation von Phase und Amplitude.

Solche Systeme könnten in Zukunft zur kohärenten Magnonenkommunikation, quantennahen Signalverarbeitung und sogar für den Aufbau neuartiger Spin-basierten Quantencomputerarchitekturen genutzt werden.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Materialwissenschaftliche Herausforderungen

Herstellung geeigneter magnetischer Materialien

Die Leistungsfähigkeit magnonischer Technologien hängt entscheidend von den verwendeten Materialien ab. Besonders geeignet sind kristalline ferrimagnetische Oxide wie Yttrium-Eisen-Granat (YIG), da sie extrem geringe Dämpfungsverluste und lange Magnonenlebensdauern aufweisen. Doch die Herstellung solcher Materialien in ultrareiner und kristallin perfekter Form ist technologisch anspruchsvoll.

Herausforderungen in der Materialherstellung umfassen:

  • Kontrolle über Gitterdefekte und Verunreinigungen.
  • Wachstum epitaktischer Schichten mit atomarer Präzision.
  • Anbindung magnetischer Materialien an nichtmagnetische Substrate oder Halbleiterplattformen.

Darüber hinaus sind neue Materialklassen wie 2D-Magneten, Multiferroika und topologische Magnonenmaterialien noch weitgehend unerforscht, was gleichzeitig Risiko und enormes Innovationspotenzial darstellt.

Reproduzierbarkeit und Miniaturisierung

Ein zentrales Problem bei der Übertragung magnonischer Konzepte in die Anwendung ist die Reproduzierbarkeit auf Nanometerskalen. Während einzelne Prototypen in der Forschung gut funktionieren, ist die serielle Herstellung solcher Strukturen mit gleichbleibenden Eigenschaften eine Herausforderung.

Aspekte der Miniaturisierung beinhalten:

  • Lithografische Präzision für definierte Wellenleitergeometrien.
  • Vermeidung von Kanteneffekten, die zu ungewollter Streuung führen.
  • Integration mit nichtlinearen oder aktiven magnonischen Elementen auf engem Raum.

Die Zukunft wird zeigen, ob sich Materialplattformen wie Van-der-Waals-Magnete oder molekulare Magnetsysteme als Lösung etablieren können.

Integration in bestehende Quantensysteme

Magnonische Chips für Quantencomputer?

Ein zukunftsweisender Gedanke ist die Entwicklung magnonischer Quantenchips als Ergänzung oder Ersatz konventioneller Quantenprozessoren. Hierbei dienen Magnonen nicht nur zur Informationsübertragung, sondern auch als elementare Rechenbausteine.

Die Integration solcher Chips erfordert:

  • Kompatibilität mit supraleitenden oder Halbleiter-Qubits.
  • Kopplung an photonische und phononische Komponenten.
  • Entwicklung kohärenter Magnon-Qubit-Schnittstellen mit hoher Fidelity.

Die Vision: Magnonen übernehmen Aufgaben der Verkettung, Steuerung oder Signaltransformation, während Qubits für Speicherung und Berechnung zuständig sind – eine Arbeitsteilung, die Rechenarchitekturen wesentlich effizienter machen könnte.

Verlustarme Magnonführung und Isolation

Ein weiteres praktisches Hindernis besteht in der verlustarmen Magnonenführung, insbesondere über längere Distanzen und durch komplexe Geometrien hindurch. Streuung, Dämpfung und Modenmischung können zu Informationseinbußen führen.

Lösungsansätze sind:

  • Entwicklung nicht-reziproker Bauelemente, etwa Isolatoren oder Dioden für Magnonen.
  • Verwendung topologischer Schutzmechanismen, die bestimmte Magnonenmoden robust gegen Störungen machen.
  • Implementierung aktiver Verstärkerelemente, die die Dämpfung kompensieren, ohne die Kohärenz zu zerstören.

Hier könnten Fortschritte aus der Photonik und Spintronik übernommen oder weiterentwickelt werden.

Theoretische Modelle im Wandel

Beyond-Heisenberg: nichtlineare und topologische Modelle

Das klassische Heisenberg-Modell ist zwar die Grundlage der Magnonentheorie, doch moderne Materialien und komplexe Geometrien erfordern weiterführende Theorien. Nichtlineare Modelle, Multi-Skalenansätze und quantenfeldtheoretische Erweiterungen sind notwendig, um Phänomene wie:

  • Selbstinterferenz und Modenkopplung,
  • Spontane Symmetriebrechung,
  • Magnon-Photon- oder Magnon-Phonon-Kohärenzen

adäquat zu beschreiben. Auch Effekte wie Magnonen-Bremsstrahlung oder Magnonen-Turbulenz in hochangeregten Systemen erfordern ein Umdenken im theoretischen Rahmen.

Topologische Magnonen und Spin-Currents

Ein besonders innovatives Forschungsfeld ist die Untersuchung topologischer Magnonenmoden, also Anregungen mit nichttrivialer Bandstruktur. Analog zu topologischen Isolatoren in der Elektronik existieren auch in der Magnonik sogenannte chiral edge states, in denen sich Magnonen nur in eine Richtung entlang der Kante eines Materials bewegen.

Diese topologisch geschützten Zustände sind:

  • robust gegen Defekte und Streuung,
  • nicht-reziprok in ihrer Ausbreitung,
  • potentiell quantenmechanisch entkoppelt von Umweltrauschen.

Sie ermöglichen die Realisierung verlustfreier Spin-Currents, also gerichteter Flüsse von Spininformation ohne elektrischen Strom – ein Paradigmenwechsel in der Informationsverarbeitung und Sensorik.

Fazit

Zusammenfassung der Schlüsselpunkte

Magnonen, als quantisierte kollektive Anregungen magnetischer Ordnung, haben sich von einem rein theoretischen Konzept der Festkörperphysik zu einem hochrelevanten Werkzeug der modernen Quantentechnologie entwickelt. Ihre besondere Eigenschaft, Spininformation verlustarm, kohärent und auf Nanoskalen zu transportieren, hebt sie von klassischen Informationsträgern wie Elektronen deutlich ab.

Im Verlauf dieses Artikels wurde deutlich, dass Magnonen in verschiedensten Kontexten von zentraler Bedeutung sind:

  • Sie eröffnen neue Wege der Informationsverarbeitung im Rahmen der Magnonik.
  • Ihre bosonische Natur ermöglicht exotische Zustände wie die Bose-Einstein-Kondensation, sogar bei Raumtemperatur.
  • Durch ihre Kopplung mit anderen Quantenobjekten (Photonen, Phononen, Qubits) werden sie zu vermittelnden Akteuren in hybriden Quantensystemen.
  • Fortschritte in Brillouin-Streuung, THz-Spektroskopie und Cavity Magnonics machen sie experimentell immer besser zugänglich.

Die Rolle der Magnonen reicht damit weit über klassische Festkörperphysik hinaus. Sie stehen an der Schnittstelle zwischen Quantenkommunikation, Sensorik, Signalverarbeitung und Materialwissenschaft – und bilden damit einen Knotenpunkt interdisziplinärer Quantentechnologie.

Potenzial zur Revolution der Informationsverarbeitung

Die magnetische Informationsverarbeitung, gestützt durch Magnonen, könnte klassische Elektronik in zentralen Aspekten ablösen oder erweitern: verlustfreie, feldsteuerbare, skalierbare und ultradichte Informationskanäle werden möglich. Was einst als thermische Störung galt, wird nun zum strategischen Baustein einer neuen Quanteninfrastruktur.

Ausblick

Künftige Entwicklungen in Magnonik und Quantenmagnetismus

Die kommende Dekade wird entscheidend für die Entwicklung magnonischer Technologien sein. Erwartet werden:

  • Miniaturisierte magnonische Chips, integriert in Quantenprozessoren.
  • Topologisch geschützte Magnonenleitungen für reziproke Informationsflüsse.
  • Raumtemperaturbetriebene Magnon-Laser, steuerbar mit elektrischen Feldern.
  • Neue Materialplattformen, z. B. 2D-Magnete, Multiferroika und spintronisch aktive Moleküle.

Besonders im Bereich der quantenkohärenten Spinwelleninterferenz und Magnon-Qubit-Kopplung wird intensiv geforscht – mit dem Ziel, skalierbare und robuste Quantenarchitekturen zu entwickeln.

Interdisziplinäre Bedeutung: von Spintronik bis Quantenoptik

Die Bedeutung von Magnonen geht weit über die Physik hinaus. Ihre kontrollierte Erzeugung, Steuerung und Detektion eröffnet neue Perspektiven in:

  • Spintronik (logische Bauelemente, Speicher),
  • Quantenoptik (Magnon-Photon-Hybridisierung),
  • Messtechnik (Magnoneninterferometrie, hochauflösende Magnetometrie),
  • Materialwissenschaft (neuartige Quasiteilchen-Materialien).

Magnonen verkörpern damit ein fundamentales Bindeglied zwischen klassischer und quantenmechanischer Technologie – ein dynamischer Hoffnungsträger für die Informationsverarbeitung der Zukunft.

Mit freundlichen Grüßen Jörg-Owe Schneppat

Anhang

Glossar relevanter Begriffe

  • Spin Eine intrinsische quantenmechanische Eigenschaft von Teilchen, die einem Drehimpuls entspricht, aber keine klassische Entsprechung besitzt. Der Elektronenspin kann die Werte \pm \frac{1}{2} annehmen und ist zentral für magnetische Phänomene.
  • Quasiteilchen Kollektive Anregungen in Vielteilchensystemen, die sich wie Teilchen verhalten. Beispiele sind Phononen (Gitterschwingungen), Magnonen (Spinwellen), Plasmonen (Elektronendichtewellen) und Exzitonen (Elektron-Loch-Paare).
  • Spinwelle Eine kollektive Schwingung von Spins in einem magnetischen Material, bei der die magnetischen Momente lokal abweichen und sich wellenartig durch das System fortpflanzen.
  • Magnon Die quantisierte Form einer Spinwelle, d. h. ein Quasiteilchen, das eine einzelne Spinwellenanregung repräsentiert. Magnonen tragen Energie und Impuls, jedoch keine elektrische Ladung.
  • Bose-Einstein-Kondensation (BEC) Ein quantenmechanischer Zustand, in dem viele Bosonen denselben Quantenzustand besetzen. Für Magnonen kann diese Kondensation unter nicht-gleichgewichtigen Bedingungen auch bei Raumtemperatur auftreten.
  • Cavity Magnonics Ein Teilgebiet, das sich mit der Kopplung von Magnonen an elektromagnetische Resonator-Moden (z. B. Mikrowellenkavitäten) befasst, mit Anwendungen in Quantenkommunikation und Quantensensorik.
  • Spintronik Ein Forschungsfeld, das den Elektronenspin anstelle oder zusätzlich zur elektrischen Ladung zur Informationsverarbeitung nutzt.
  • Interferometrie Ein Messprinzip, das auf der Überlagerung von Wellen basiert – etwa zur Messung von Phasendifferenzen, Frequenzen oder quantenmechanischen Zuständen.

Wichtige Materialien und Verbindungen

  • Yttrium-Eisen-Granat (YIG, Y₃Fe₅O₁₂) Kristalliner Ferrimagnet mit extrem geringer Dämpfung. Standardmaterial für Magnonexperimente, insbesondere bei BEC und Cavity Magnonics.
  • Europiumoxid (EuO) Ein ferromagnetischer Halbleiter, besonders bei tiefen Temperaturen. Dient als Modellmaterial für spinkorrelierte Systeme.
  • Eisenborat (FeBO₃) Ein Antiferromagnet mit interessanter Spinstruktur, in dem Spinwellen mit optischen Eigenschaften gekoppelt werden können.
  • Nickel-Ferrit (NiFe₂O₄) Ferrimagnetisches Oxid mit hoher chemischer Stabilität, verwendet in Mikrowellenbauteilen und Spinwellenleiterstrukturen.
  • CrI₃, Cr₂Ge₂Te₆ Zwei Beispiele für zweidimensionale Van-der-Waals-Magnete, die bei niedrigen Temperaturen stabile magnetische Ordnung zeigen – vielversprechend für magnonische 2D-Chips.
  • Multiferroika (z. B. BiFeO₃) Materialien mit gekoppelter magnetischer und elektrischer Ordnung. Ermöglichen elektrische Steuerung von Magnonen.

Weiterführende Literatur und Quellen

Lehrbücher und Fachliteratur

  • C. Kittel: Introduction to Solid State Physics, Wiley – Klassiker der Festkörperphysik mit Kapiteln zu Spinwellen und Magnonen.
  • S. O. Demokritov (Hrsg.): Spin Wave Confinement, Pan Stanford Publishing – Übersichtswerk zu modernen Aspekten der Magnonphysik.
  • T. Lenk et al.: Magnonics: From Fundamentals to Applications, Springer – Einführung in die Grundlagen und Technologien der Magnonik.

Aktuelle Übersichtsarbeiten

  • Chumak et al. (2015): Magnon spintronics, Nature Physics, 11, 453–461.
  • Kruglyak et al. (2010): Magnonics, Journal of Physics D: Applied Physics, 43, 264001.
  • Serga et al. (2010): YIG magnonics, Journal of Physics D: Applied Physics, 43, 264002.

Wichtige Forschungsgruppen und Ressourcen

  • Forschungszentrum Jülich – PGI-6: Magnonik und Quantendynamik
  • Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik
  • National Institute of Standards and Technology (NIST) – Magnon-Qubit-Kopplungsexperimente
  • arXiv.org – Kategorie cond-mat.mes-hall / quant-ph für aktuelle Preprints